Kein Stolz, kein Selbstbewußtsein

Bei einer SPD-Veranstaltung in der letzten Woche habe ich neulich eine bestürzende Beobachtung gemacht. Es war in Sachsen-Anhalt, und natürlich war der bevorstehende Wahlkampf Thema.


Da ging es um die Frage einer möglichen Regierungsbildung mit der Linken. In Sachsen-Anhalt droht ja der SPD die gleiche Falle, in welcher die Thüringer SPD schon untergegangen ist. Katrin Budde möchte gerne Ministerpräsidentin werden. Das kann sie nicht in einer Koalition mit der CDU. Das kann sie wohl nur in einer Koalition mit der LINKEn. Doch die liegt in Umfragen leicht vor der SPD. Wie zu erwarten war, äußerte sich eine andere Führungsfigur der anhaltinischen SPD etwas unbefangener. Katrin Budde ist nicht strikt gegen einen LINKEn MP. Sie selbst aber schließt für sich dann ein Regierungsamt aus. Als wenn das das Problem wäre.


Auf der Veranstaltung ging es um die SPD-Geschichte der letzten 25 Jahre. Da sind großartige Abschnitte bei. Sicher auch schwer zu ertragene. Zum Schluß habe ich die Aufgaben beschrieben, die vor der SPD hier liegen: nicht mehr und nicht weniger als für die strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands – und in Ostdeutschland überwiegen diese – neue Persepktiven zu eröffnen, zu wirtschaftlichem Fortschritt, hin zu einem Land, aus welchem die Menschen nicht mehr wegstreben, sondern wo sie hin wollen, weil sie hier ihre Zukunft sehen. Gerade in Sachsen-Anhalt mit seiner historischen Bedeutung für die Entstehung Deutschlands vor über 1000 Jahren, das also zu den Kerngebieten Deutschlands immer schon zählte, muß man sich dieses Ziel setzen.


Es geht also um Konzepte, um Ideen, und um politische Angebote, die auf dieser Grundlage entwickelt werden, mit dem die SPD in den Landtagswahlkampf ziehen sollte.


Doch die anschließenden Diskussionen rankten sich gar nicht um diese Frage. Es ging nur um die CDU-Strukturen im Land, die aufgebrochen werden müßten. Sie hätten sich wie ein Schleier über Sachsen-Anhalt gelegt, und behinderten dessen Entwicklung. Ja, und dann war noch von Gerechtigkeit die Rede, und davon, dass das Auseinanderdriften von Arm und Reich ein Ende haben müsse.


Diese letzten Fragen werden in Sachsen-Anhalt nicht entschieden. Und dass es die CDU-Strukturen seien, die die anhaltinische Entwicklung behindere, eine Behauptung nebenbei, deren Schlüssigkeit sich mir nicht erschließt, halte ich das für Stimmungsmache.


Stolz und Selbstbewußtsein auf eine großartige sozialdemokratische Tradition habe ich hier nicht gefunden, nicht bei dem Ortsvereinsvorsitzenden mit dem ich anschließend noch lange gesprochen habe. Die Bedeutung der sozialdemokratischen Traditionen für unser Land, für unsere Demokratie, und für unsere Freiheit spielt bei ihm keine Rolle. Da ging es nur gegen die CDU.


Da ist sie wieder die Engführung einer politischen Debatte, mit welcher die Leute auf ein einziges Argument hin getrimmt werden. Andere Aspekte werden völlig unterdrückt. Es geht nur ums Lagerdenken.


Einst 1994, haben Martin Gutzeit und ich, gemeinsam mit Heinrich-August Winkler eine Erklärung verfasst gegen das Magdeburger Modell. Es war überschrieben mit dem Titel: „Von der Tolerierung, über die Koalition zur Fusion“. Die Tolerierung haben wir damals nicht aufhalten können. Die Koalitionen sind schon selbstverständlich geworden. Und die Fusion mit der ehemaligen SED wird auch noch kommen, so wenig ist den Sozialdemokraten hier ihre eigene Tradition bewußt. Für mich wäre der Rubikon hier überschritten. Doch es mag noch etwas Zeit bis dahin vergehen. Zeit, die wir auch nutzen können.

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Kommentare: 1
  • #1

    Wolfgang Kupke (Montag, 02 Februar 2015 10:30)

    Soweit ich das als ehem. Bürgerrechtler, jetziger kritischer CDU-Rentner und 20jähriges Stadtratsmitglied in Halle(Saale) mit Kenntnis der meisten handelnden SPD-Personen in Halle beurteilen kann, trifft die Einschätzung voll zu. Sie denken in Lagern und steuern auf eine Koalition mit den LINKEN zu.