Es geht darum, Zeugnis abzulegen; von seinen Gefühlslagen, Überlegungen und Entscheidungen.
Man ist ja schließlich nicht nur Zeuge seiner Zeit, sondern vor allem Zeuge in eigener Sache. Und das bedeutet seine Erinnerungen zu öffnen, öffentlich zu machen und damit Einblick zu ermöglichen.
Es geht nicht darum Rechenschaft abzulegen. Ich verlange auch keine Absolution. Ich habe nichts anderes getan, als mir das Recht genommen, aus meiner Privatsphäre herauszutreten um meine persönlichen Ansichten auch in der Öffentlichkeit zu vertreten, öffentliche Konsequenzen zu ziehen. Das was ich getan habe, habe ich aus Überzeugung getan. Wenn es gut lief, ging dem ein langer Entscheidungsprozess voraus. Dafür war nicht immer Zeit. Außerdem neige ich zu Schnellschüssen. Das habe ich später meist bereut.
Mit seinem öffentlichen Wirken bringt ein Mensch sich ein, nicht nur in die Regelung der eigenen Angelegenheiten, nichts anderes ist sein politischer Beitrag, wenn er ihn denn bringen will. Dafür braucht man niemanden um Erlaubnis zu fragen; nicht die Parteien, nicht den Staat, nicht die Mitbürger, Freunde oder gar Familie. Natürlich habe ich das getan, doch mehr weil ich unsicher war, weil ich feedback wollte, und weil ich die Gemeinschaft brauche. Aber die Entscheidung öffentlich zu wirken trifft man immer selbst. Öffentliche Einflussnahme ist ein Individualrecht, das einem keine Diktatur, keine Weltanschauung, keine Religion nehmen kann. Im Gegenteil; wir Menschen regeln unsere Angelegenheiten selber und selbständig. Es gibt keine Autorität, der wir uns unterordnen können, die wir fragen können, um deren Rat wir bitten können. Es gibt viele, die sich zur Autorität aufschwingen und es gibt unseren Kleinmut, der uns zurückschrecken lässt, letztlich vor der eigenen Courage, und nicht vor dem Autoritätsgehabe einiger unserer Mitbürger.
Eine Autobiographie ist eine Geschichte. Selbst erzählt vom selbst Erlebten. Es braucht dafür keinen besonderen Grund, aber es braucht wohl, wie ich es empfinde, Mut.
Das schlimmste was mir passieren könnte, wäre das Schweigen, das Ignorieren. Leichter zu ertragen, wäre das entrüstete Beschimpfen. Das ist mir in meinem politischen Leben häufig passiert. Das hat mir nichts ausgemacht, denn dann wusste ich, dass meine Botschaft angekommen ist. Doch das schönste wäre, wenn meine Überlegungen auf fruchtbaren Boden fielen, und manch einen dazu brächten, nachzudenken, über sich selbst und seinen eigenen, unverzichtbaren, unverwechselbaren und unaustauschbaren Beitrag zur Geschichte. Denn nichts anderes ist Politik: die Gestaltung unserer Geschichte.
Doch mein Leben auf Politik zu reduzieren, hieße es zu beschneiden. Zum Schluss würde es nicht mehr verstehbar sein. Die politische, die öffentliche Dimension des eigenen Lebens wird nur erkennbar, wo sie ungetrennt von allem übrigen erscheinen darf. Der Gefahr des Ausuferns muß man dabei wohl widerstehen können. Doch man muss auch über Blamagen, Misserfolge, Kurzsichtigkeit und eigene Unfähigkeit Rechenschaft ablegen können. Kurz, man muss über Irrtümer reden können.
Zum Schluss gibt es noch die Eigenliebe. Vielleicht ist sie die eigentliche Triebkraft zum Roman in eigener Sache. Doch die Schöpfung hat uns mit ihr ausgestattet. Gäbe es sie nicht, gäbe es auch uns nicht. Von Eigenliebe zur Eitelkeit ist es nur ein kleiner Sprung, wie so vieles Gegensätzliches nur einen schmalen Grat von einander entfernt. Die Kunst besteht wohl darin, mit ihrer Existenz zu leben um sie - hoffentlich - rechtzeitig wahrzunehmen.
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