Es war eine Kontroverse, die mich veranlasst hat, mich intensiver mit dieser Frage zu beschäftigen. Bislang war es für mich selbstverständlich, den Islamismus vom Islam zu trennen, obgleich er seine Wurzeln hier hat. Andererseits meinte ich, dass man den Islam als solchen nicht für den Islamismus verantwortlich machen kann. Dem wurde von meinem ehemaligen MdB-Kollegen Christian Müller, wie ich ostdeutscher Sozialdemokrat in seiner typischen Art und Weise kurz und heftig widersprochen.
Nun hätte ich das auf sich beruhen lassen können. Andererseits mußte ich mir einfach eingestehen, dass ich kein Experte in Sachen Islamismus bin. Ich glaube, dass ich einiges über Fundamentalismus sagen kann, und auch nicht unbewandert bin in Sachen Totalitarismus und Terrorismus. Und natürlich habe ich meine Analogieschlüsse auf den Islamismus so wie er mir bisher begegnet ist gezogen. Man kommt damit durchaus ein Stück weiter. Aber wenn es zu Kontroversen kommt, stellt man schnell fest, wie dünn das eigene Wissen ist. Und so begann ich mich auf den Weg zu machen, geeignete Lektüre zum einführenden Studium des Islamismus zu finden.
Zufällig kam ich an der Tucholskybuchhandlung vorbei, die sich in der Berliner Straße gleichen Namens befindet, und deren Chef ich kenne. Der empfahl mir Tilman Seidensticker "Islamismus; Geschichte, Vordenker, Organisationen", der das Standardwerk dazu geschrieben habe. Das sagte mir zwar nichts, aber es sah ansprechend aus.
Dann hat mich das Buch gefangengenommen. Ich hatte es im Urlaub mit, und kam zu keinem anderen. Denn seine Lektüre erwies sich nicht als einfach. Das kann mit meinem beschränkten Aufnahmevermögen zusammenhängen, oder mit den für mich fremden, halt orientalischen Inhalten. Ganz im Ernst, wer kennt die Begriffe des islamischen Kulturkreises schon wirklich? Da bin ich keine Ausnahme. Aber es war für mich auch aus anderen Gründen schwierig. Bei aller Systematik im Aufbau des Buches, war der Inhalt keineswegs so klar wie eine Mathematikaufgabe. Ständig neue Namen, mal aus dem Zusammenhang, Querbezüge zwischen den einzelnen Abschnitten, und Behauptungen des Autors, die nicht einfach nachvollziehbar schienen (manche bis heute), wurden zu einer Herausforderung für mein nach Klarheit und Aufklärung lechzendem Denken.
Gleichwohl erwies sich die Lektüre für mich als produktiv. Gerade weil ich ständig innehalten mußte, und meine sich mir ständig stellenden neuen Fragen zu durchdenken, gewann ich dabei Erkenntnisse, die mir weitergeholfen haben, dem Phänomen des Islamismus näher zu kommen. Am interessantesten dabei übrigens offenkundige Analogien zum Kommunismus, der auch ein Paradies kennt, in welchem menschliche Schwächen wie Kriminalität verschwinden. Auch das geschlossene Denken des Islamismus, der vorgibt, auf alle Fragen des Lebens Antworten zu haben, erinnerte mich an die kommunistische Ideologie, die ja ein Paradebespiel für totalitäres Denken ist.
Und obwohl ich alles so klar sah, wurde es sehr schwierig, das Buch zu beschreiben. Ich habe dabei faktisch das Buch ein zweites Mal studiert. Das hat nicht geschadet. Ich habe mich bemüht, in der Besprechung das Buch selbst zu referieren, so dass sie wie eine würdigende Zusammenfassung daherkommt.
Die aus der Lektüre folgenden Kenntnisse hingegen werde ich, entgegen meiner ursprünglichen Absicht in einem eigenen Text unterbringen.
So interessant die Arbeit war, die ja noch nicht abgeschlossen ist, bisher existiert nur die Besprechung selbst, und die Reflexionen folgen noch, und so verlockend es wäre, sich in das Thema weiter zu vertiefen, glaube ich nicht, dass ich diesen Weg weitergehen sollte. Denn mein Thema ist das eigentlich nicht.
Was ist Islamismus? Buchbesprechung Tilman Seidensticker: "Islamismus"
Kommentar schreiben