Windjammersterben

Hier geht es um Jugendliche, ehrenamtlich Arbeitende, um Bildungsarbeit, vor allem aber um eine spezifische Kultur von Windjammern, und die in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zu Hause ist. Hier werden die altertümlich und romantisch aussehenden Segelschiffe  mit viel Aufwand ehrenamtlich aufgearbeitet und gepflegt. Aber ihre Arbeitsgrundlage ist durch Aktivitäten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, an der Spitze das Bundesverkehrsministerium in ihrer Substanz bedroht. 

 

Windjammer dieser Art, sind nur selten echte Oldtimer im Sinne unseres Denkmalschutzes. Meistens sind sie zwar schon ziemlich alt, aber z.T. auf ehemaligen Dampfschiffen neu aufgebaut worden. Gleichwohl erfüllen sie ihren Zweck, nämlich mit Zwei- resp. Dreimastern auf der Ostsee herumzuschippern.

Betrieben werden viele dieser Schiffe von Jugendlichen. Sie weihen ihr Leben diesem Hobby, und stecken  ihre ganze  Zeit und Energie dort hinein. Das Ganze ist keine Luxusangelegenheit und deshalb spielen die Kosten eine Rolle. Deshalb hat sich hier eine eigene Infrastruktur entwickelt mit Anlegeplätzen, Museumswerften, aber auch Bildungsarbeit. 

 

Letztere steht für sich selbst, erfüllt aber auch den Zweck, dass diese Schiffe überhaupt fahren können. Dabei werden Bildungsseminare, Umweltbildung bis hin zu politischer Bildung angeboten, und es wird den Mitfahrern gleichzeitig das Erlebnis einer solchen Windjammertour ermöglicht, wo die Teilnehmer auch die Matrosen sind. Natürlich ist da Seefahrtsromantik im Spiel, und zwar nicht wenig. Es ist aber auch das aktive Erlernen und Kennenlernen unserer eigenen Schifffahrtstradition, die insbesondere in unseren Küstenregionen untrennbar mit der Herausbildung der dortigen Gesellschaft verbunden ist. 

 

Bis ich selbst von der Existenz dieser Schiffe erfuhr, war für mich immer Holland das Land, welches für diese Art von Windjammerkultur steht. Es gibt sie aber, wie gesagt auch bei uns. 

 

Ich selbst bin in Berührung mit diesen Schiffen durch meine Töchter gekommen, welche Kontakt zu einem dieser Schiffe und ihrer Crew bekamen, und die begeistert von diesem Erlebnis erzählt haben. Es handelt sich bei dem Schiff um die Lovis. Die spielt in dieser Geschichte eine große Rolle. 

 

Als die Auseinandersetzungen mit der Wasser und Schifffahrtsverwaltung in eine für diese Schiffe gefährliche Phase kamen, hat meine Tochter die Crew von der Lovis an mich verwiesen. Das geschah nicht von ungefähr, weil ich mal Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium gewesen bin, zwar nicht lange, nur zwei Jahre, und auch nicht für die entsprechenden Abteilung zuständig. Aber ich konnte doch im Ministerium erhebliche Erfahrungen machen, kenne die Strukturen, kenne das Verhalten und kenne vor allem die spezifischen Prozesse im Spannungsgebiet von Politik und Verwaltung, die man sich klarmachen muss, wenn man hier etwas erreichen will. 

Wir hatten dann intensive Kontakte. Wobei ich deutlich sagen muss, dass ich direkt nur wenige Male eingegriffen habe. In der Regel habe ich mit den jungen Leuten über die politischen und ministeriellen Hintergründe geredet, so dass sie in der Lage waren, ihre eigene, im besten Sinne Lobbyarbeit effektiv gestalten zu können. Denn es ist für jeden, der sich politisch engagiert immer ein Riesenproblem zu erkennen, wo man in seiner politischen Arbeit einsetzt, welche Mittel man wählt. Es geht eigentlich darum, herauszufinden, wo die Tür ist, an die man anklopft, oder wo der Schlüssel ist, der einem die Türen öffnet.  Es war bewundernswert, mit welcher Energie aber auch Intelligenz die Crew dann an diese Arbeit heranging, und wirklich viel erreicht hat. Aber nie hat sie eine endgültige Lösung erreicht. Vielmehr hat sie einen Pattzustand aufrechterhalten, der ihr aber die Betriebserlaubnis für das Betreiben ihres Schiffes bewahrt. So konnte diese ganze Windjammerkultur auf der Ostsee die letzten 5 Jahre überstehen.

Nun aber gibt es eine neue Attacke, wenn man so sagen kann, und den Leuten geht langsam die Luft aus.

 

Die Auseinandersetzung um die Schiffe dreht sich um Sicherheitsfragen. Ist also nicht unwichtig. 

Die Wasser - und Schifffahrtsverwaltung macht geltend, dass moderne Sicherheitsauflagen nicht erfüllt werden. Diese Sicherheitsauflagen gelten nicht für alle Windjammer gleichermaßen. Für die "echten" Oldtimer gelten sie nicht, also jene Schiffe, die schon immer nur als Segelschiffe existiert haben. Bei ihnen gilt Vertrauensschutz. Viele dieser Schiffe sind aber in diesem Sinne keine echten Oldtimer. Die "Lovis" z.B. ist es nicht. Das war mal ein skandinavisches Dampfschiff, das abgebaut wurde, abgewrackt werden sollte, und dann von irgendjemanden vor Jahrzehnten bereits in einen Windjammer umgebaut wurde. Die Jugendlichen übernahmen dann einmal dieses Schiff. Sein Heimathafen ist Greifswald. So einer Passion wie Windjammerfahren kann man ja als normaler Jugendlicher dort erst seit 1990 nachgehen. 

 

Als dieses Schiff seinerzeit die Betriebserlaubnis erteilt wurde, erfüllte es die Sicherheitsauflagen. Sonst hätte es diese Erlaubnis auch nie bekommen. Doch im Gegensatz zu den "echten" Oldtimern gilt für die Lovis nicht der Vertrauensschutz. Kurz gesagt, mit den neuen Sicherheitsbestimmungen, also der Absicht, diese durchzusetzen, wären umfangreiche und teure Investitionen verbunden, die die meisten der Crews dieser Art von Windjammer nicht aufbringen können. Warum das so ist, kann man auch erklären, ich lasse das aber mal weg. 

 

Und deshalb haben diese Crews Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um zu verhindern, dass diese neuen Sicherheitsbestimmungen durchgesetzt werden. 

 

Sie waren bei ihren Abgeordneten, bei ihren Landesregierung, ja sogar bei den Ministerpräsidenten. Sie haben Kontakt zu den Ministern aufgenommen. (Insbesondere Manuela Schwesig, oder Andrea Nahles). Sie haben Kontakt zum Verkehrsausschuss mehrerer Parteien. Sie waren bei den Medien, sie haben demonstriert und Veranstaltungen organisiert. Sie sind, um das salopp auszudrücken, der Ministerialbürokratie erheblich auf die Nerven gegangen. Lobbyvereine haben hochbezahlte Leute für derlei Aktivitäten. Diese jungen Leute haben das alles nebenbei gemacht, also neben Studium, Arbeit, und Betreiben der Schiffe.

Vor der letzten Wahl ist es gelungen, so viel Öffentlichkeit zu erreichen, dass der damalige Verkehrsminister, Ramsauer, die ganze neue Sicherheitsverordnung auf Eis gelegt hat. Dann ist es gelungen, eine Art Garantieerklärung für diese Schiffe in die Koalitionsvereinbarung zu lancieren. Da war ich mal beteiligt, weil ich meinen ehemaligen Kollegin Florian Pronold, der für die SPD diesen Teil der Verhandlungen geleitet hat, darum gebeten hatte. Ich habe auch Kontakt zum Abteilungsleiter im Verkehrsministerium, der für die Hochseeschifffahrt zuständig ist, und der Crew hergestellt. Mehr war es aber nicht. 

 

Das Sicherheitsargument ist eine Keule. Natürlich hat die Schifffahrtsverwaltung Horrorszenarien im Auge, vor der es ihre politische Leitung bewahren will. Ich denke aber, dass man hier den Bestand dieser spezifischen Windjammerkultur und Sicherheitsstandards abwägen muss. Warum kann nicht auch hier Vertrauensschutz gelten? Warum kann man keine finanzielle Unterstützung geben für das Nachrüsten der Schiffe um die Sicherheitsstandards einhalten zu können? M.E. ließen sich hier Lösungen finden. 

 

Leider sind die nicht wirklich in Sicht. Die Schifffahrtsverwaltung scheint von ihren Vorstellungen nicht abzurücken. Den Crews geht langsam die Luft aus. Man kann nicht einfach jahrelange Lobbyarbeit in eigener Sache betreiben auf Kosten der anderen Arbeit, wenn nicht irgendwann mal eine Lösung gefunden wird. Auf kaltem Wege kann sich also die Schifffahrtsverwaltung durchsetzen, weil sie letztlich den längeren Atem hat. Das aber wäre extrem traurig. Ich denke nach wie vor, die Crews brauchen Hilfe.

 

Das Ganze ist eine interessante Geschichte, angesiedelt zwischen Politik, Verwaltung, Ehrenamt, Bildungsarbeit und Windjammerkultur, an der man durchdeklinieren kann, wieviel an politischer Arbeit auch für ehrenamtliche einerseits möglich ist, andererseits an welche Grenzen sie stoßen. Es geht auch um die Frage, wie berechtigt im Einzelfall die Sicherheitsmanie deutscher Verwaltungen im Einzelfall geht. Das haben wir ja nicht nur hier, sondern auch auf dem Spielplatz, bei Kletterparks und Ähnlichem. 

 

Es ist eine kleine Geschichte mit großer Tragweite und Auswirkungen für die Subkultur der Windjammer auf unseren Meeren. Diese Kultur befindet sich vor unseren Augen in einer Krise, deren Ausgang nicht vorhersagbar ist.

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