Die oppositionelle Szene
Die SDP ist aus der oppositionellen Szene heraus entstanden, und gleichzeitig ist sie von ihr abgelehnt worden. Ein merkwürdiges Spannungsverhältnis bestand. Einerseits war da durchaus Hochachtung auf beiden Seiten voreinander und einander gegenüber. Andererseits war auf beiden Seiten Verneinung mit im Spiel, sowohl gegenüber der SDP als auch von ihr gegenüber der übrigen oppositionellen Szene. Das hat nichts mit den vielen Pfarrern in der SDP zu tun. Dies war mehr ein soziales Phänomen, als Grund zur Ablehnung. Denn viele Pfarrer und Theologen gab es in den anderen Oppositiongruppen auch. So wurde das Diktum Pfarrerpartei der SDP eher aus Richtung SED oder MfS bzw. deren Zuträgern umgehangen, als dass es in der oppositionellen Szene ein ernster Vorwurf gewesen wäre. Doch die oppositionelle Szene suchte nach Neuem. Die Überwindung der SED-Diktatur an und für sich war ihr nicht genug. Sie lehnte nicht nur die Diktatur im Osten ab, sondern den Parteienstaat im Westen auch. Und ihr Dilemma bestand darin, dass es dieses neue nicht gab. Eine neue Gesellschaft konnten weder die Kommunisten noch die oppositionelle Szene schaffen. Die Opposition überhob sich in dem Versuch, die Fehler der Kommunisten zu heilen, in dem sie aus deren Sozialismus einen richtigen zu machen versuchten. Das war übrigens auch ein Problem der vielen ostdeutschen Intellektuellen, die ihrem Land zwar kritisch gegenüber standen, aber den Weg in die Opposition nicht fanden. Die SDP stand für westlichen Parteienstaat. Ihre Identifikation mit westlichen Verhältnissen war keineswegs ein Vehikel für die Entmachtung der SED, sondern entsprach ihren Grundüberzeugungen von einer lebendigen, Kreativität und Verantwortung ermöglichenden Gesellschaft. Die SDP stand für den Pragmatismus westlicher Verhältnisse, in welchem die Verantwortung sich in der konkreten Lösung realer Probleme erweist. Ideologien, gleich in welcher Form lehnte sie ab. Und die Unterordnung unter Ideen, die Gerechtigkeit auf abstrakte Weise im Allgemeinen und Absoluten, also vor den konkreten Entscheidungen zu finden meint, war der SDP Teil des totalitären Denkens, das sie überwinden wollte, und das sie zum eigentlichen Problem des 20. Jahrhunderts erklärt hatte. Insofern wurzelte auch in der SDP die Ablehnung der übrigen politischen Kräfte der oppositionellen Szene schon sehr tief, wie umgekehrt auch.
Gleichwohl, auch die SDP war ein Produkt der oppositionellen Szene, also jener spezifischen, unter dem Dach der Kirche groß gewordenen Friedensbewegung der DDR. Sie war der gemeinsame widerständige Nährboden. Man bestärkte sich gegenseitig in der Ablehnung der SED-Diktatur und ihres totalitären Staates. Hier waren Menschen am Werk, die aktiv gegen Staat und Partei arbeiteten, die aufmüpfig waren, die sich nicht anpassten, die ihre eigenen Vorstellungen von mündigem Leben lebten, und sie nicht den politischen Verhältnissen zu opfern trachteten. Dieser Gemeinsamkeit war man sich zwischen SDP und den übrigen oppositionellen Gruppen bewußt, und ist es bis heute geblieben. Andererseits ist der Graben, der damals, 89 zwischen SDP und den anderen ehemaligen Mitstreitern sichtbar geworden ist, bis heute nicht geschlossen, auch wenn die Anerkennung der SDP gewachsen ist.
Neues Forum
Diese neue oppositionelle Plattform für Veränderungen in der DDR wurde bereits Anfang September gegründet, rund zwei Wochen nach der Vorstellung des Aufrufs zur Gründung einer sozialdemokratischen Partei und ca. vier Wochen vor ihrer tatsächlichen Gründung.
Nebenbei, ich selbst hatte nebenbei davon, am Rande meiner Beteiligung an der Aufdeckung der Wahlfälschung vom 7. Mai 89, davon erfahren, in dem ich Zeuge wurde, wie der von mir sehr geschätzte Martin Böttger, jemanden die Mitarbeit an einer neuen Form von Opposition, die sich im September konstituieren wolle anbot. Ich war, wie sich das gehört, ob meiner Missachtung etwas gekränkt. Aber ich ließ mir aber nichts anmerken.
Das Neue Forum (NF) ist dann zum Synonym der friedlichen Revolution schlechthin geworden. Bärbel Bohley wurde die Mutter der Revolution. Das blieb der SDP erspart.
Die Gründung des NF hatte für die SDP auch etwas gutes. Denn ob unsere junge Partei in der Lage gewesen wäre, den Zustrom an Interessenten, die zum NF strebten, organisatorisch hätte verarbeiten können, ist sehr die Frage. So aber wurde dieser Zustrom zur ersten Widerlegung des NF. Denn dessen organisatorische Vorbereitung auf diese Massen tendierte gegen Null. Natürlich hätte ich da mitgemacht. Und ob ich dann den Sprung zur SDP geschafft hätte, weiss ich nicht. Mein Leben hätte anders ausgesehen.
Es hat seitens der übrigen oppositionellen Gruppen immer wieder Versuche gegeben, die SDP in ein gemeinsames Wahlbündnis aller neuen Initiativen, Gruppen und Parteien einzubinden, dem die SDP widerstanden hat. Eine solche Einbindung hätte keinen politischen Mehrwert gehabt, vielmehr alle Erfolge der SDP zu Nichte gemacht. Gleichwohl hat die SDP immer darauf bestanden gemeinsam mit den übrigen Kräften aus der Opposition auf freie Wahlen hinzuwirken, und dabei den anderen Initiativen ein Höchstmass an Zusammenarbeitsbereitschaft entgegengebracht. So ist z.B. der Runde Tisch als gemeinsames Werk aller neuen Initiativen und Gruppen ins Leben gerufen worden.