Rechter Rand - Skript

Am heutigen Tage findet die inzwischen in einigen Internet - Foren heftig kritisierte und diffamierte Tagung "Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung" am Sitz der Amadeu -Antonio - Stiftung statt. 

 

Kritik ist in Ordnung, Diffamierungen sind es nicht. Der Veranstalter spricht von einem veritablen Shitstorm, den diese Veranstaltung ausgelöst hat. Beweis von Toleranz und der Bereitschaft zum demokratischen Meinungsstreit sind Shitstorm und Diffamierungen sicher nicht. Sie zeigen aber an, wie wichtig ein das Thema dieser Fachtagung ist, und dass man sich mit den neuen Formen der Aggressivität, mit der andere Meinungen eben nicht  nur im Internet bekämpft werden auseinandersetzen muss. 

 

Ich selbst habe deshalb meinen Beitrag, den ich auf dieser Tagung halten will, verschriftlicht und werde ihn hier vorab veröffentlichen. Kommentare dazu sind willkommen. Wie immer in solchen Fällen einer Vorab-Veröffentlichung: Es gilt das gesprochene Wort. 

 

 

Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung

 

Stephan Hilsberg

 

Tagung am 14.2.19 in der Antonio Amadeu Stiftung in Zusammenarbeit von Klaus Bästlein, Anetta Kahane und Enrico Beitzer

 

Panel II – Erfahrungsberichte aus der Arbeit und dem Umgang mit Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen: Erfahrungen im Förderverein der Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen

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1. Ich bin froh darüber, dass es diese Tagung gibt. Vor zwei Jahren hätte ich Expertise nötig gebraucht. Es gab sie nicht, zumindest nicht in für mich brauchbarer Form. 

 

2. Die Aufarbeitungsszene, noch mehr die Opferszene sieht sich mit den Herausforderungen durch das Erstarken der AfD in der Mitte der Gesellschaft konfrontiert. Sie ist sicher nicht die Ursache dieses Erstarkens, sie ist auch nicht ihr Auslöser, aber sie ist von ihr betroffen, und zwar in ihren Prämissen. Es ist wichtig über diese Herausforderungen zu reden, und über die Frage, wie man ihr begegnen soll. Dies ist in meinen Augen die eigentliche Aufgabe, der sich diese Tagung stellt. Von ihr wird der Erfolg dieser Tagung abhängen. 

 

3. Rechte Tendenzen in der Opferszene gab es immer. In der Regel sind die Opfergruppen damit selber und von alleine und aktiv fertig geworden. Ich habe das in Bautzen und in Mühlberg, aber auch in Polen anlässlich von Versöhnungstreffen mehrere Male erleben können. Die meisten der Opfer, vor allem ihre Repräsentanten waren sich der Problematik bewusst, und sind nicht in die Falle gegangen, sich von einzelnen Stimmen instrumentalisieren zu lassen. 

 

Durch das Erstarken der AfD innerhalb weniger Jahre hat sich diese Situation geändert, nationalistische, und demokratie-feindliche Positionen sind erstarkt. Sie bemühen sich den Diskurs über die Aufarbeitung mitzubestimmen und sie instrumentalisieren die DDR-Vergangenheit um ihr eigentliches Ziel, die Diskreditierung der Demokratie zu erreichen. Das heißt die Aufarbeitung wird in Stellung gegen die Demokratie gebracht. Das ist die eigentliche Herausforderung, die sich aus dem Erstarken der AfD für die Aufarbeitungsszene ergibt. 

 

4. Der Vorstand des Fördervereins der Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen, dem ich seit seiner Gründung angehörte, sah sich Anfang 2017 nach über einem Jahrzehnt einvernehmlicher und sachlicher Arbeit mit der AfD in Form des Aufnahmeantrages des AfD-Bundesvorstandsmitglieds Georg Pazdierski konfrontiert und geriet darüber in schweres Fahrwasser. Die Diskussion wurde schnell hochemotional und endete mit dem völlig unerwarteten und erstmal unbegreiflichen Rücktritt des langjährigen Vorsitzenden Kürschner. 

 

Es gab einerseits eine heftige Entrüstung über dieses Aufnahmebegehren, andererseits eine ähnlich emotionale Reaktion dagegen. (jüdische Familienmitglieder, Rechtslastigkeit, Rücktrittsdrohungen versus demokratische Ehrenbezeugung für Pazdierski und die AfD durch Kürschner). Eine Vermittlung war nicht möglich. Der Aufnahmeantrag wurde abgelehnt, der Vorsitzende trat zurück. 

 

Es zeigte sich, dass es auf Seiten der Anti-AfD-Fraktion, wenn man sie denn so nennen kann, keine leistungsfähigen Argumente gab, mit denen sachlich und konstruktiv auf die Gefahren für den Förderverein und damit auch die Gedenkstätte hinzukommen würden, hingewiesen werden konnte. Die stereotypen Argumente: Rechtsradikal, keine Abgrenzung zur NPD, populistisch taugte nichts. Auch das häufig anzutreffende Verhalten: Verweis auf Political Correctness, Tabuisierung der Problematik, das Hineinstecken der AfD in die rechte Ecke, mit der man es nicht zu tun haben will, also eigentlich Totschlagsargumente taugten nichts, weil die Gegenposition von prominenter Stelle, nämlich dem Vorsitzenden selbst im Vorstand Platz genommen hatte. Es wurde offenbar, wie wenig einem diese Stereotype helfen, wenn man es mit einer direkten und persönlichen Debattenlage zu hat. Das heißt mit einem Male verloren die alten Strategien gegen rechts ihre Sinn. Im Gegenteil hatten diese Stereotypen dazu beigetragen, dass eine Art Hilflosigkeit entstand. Innerhalb von ganz kurzer Zeit erreichte eine bis dahin zwar öffentliche, aber doch scheinbar ferne Debatte den Vorstand des Fördervereins, dessen Mehrheit nichts lieber gewollt hätte, als davon verschont zu bleiben. 

 

Auf der anderen Seite gab es eine offenbar wohldurchdachte Strategie, nämlich die Auffassung, dass die AfD nicht nur eine normale demokratische Partei sei, ja, dass sie sogar als Anwalt der Grundrechte und der freiheitlichen Grundordnung gesehen wurde, und dass insbesondere Georg Pazdierski ein demokratischer Ehrenmann mit einer untadeligen Biographie sei, dem die Mehrheit des Vorstands quasi seine demokratischen Rechte absprechen würde, also ehrabschneidend handele. 

 

Tabuisierungen taugen also nur so lange, wie sich die Öffentlichkeit davon beeindrucken lässt. Ist dieser Punkt aber einmal überschritten, erweisen sie sich als Nachteil der tabuisierenden Seite. Es zeigt sich, dass man um eine inhaltliche Debatte nicht drum herum kommt. Auf die ist man aber nicht vorbereitet, solange man sich auf die Tabuisierungen verlässt. Plötzlich steht man wehrlos und nackt da. Das heißt die Tabuisierung hat nicht nur keinen Schutz organisieren können, sondern sie hat auch das eigene Anliegen im Stich gelassen. 

 

Eine typische Form dieser Tabuisierungen ist das Hineinstellen von nationalistischen, rassistischen oder antisemitischen, gelegentlich NPD-nahen Positionen, bzw. auch der Politik der AfD in eine rechte Ecke. Man meint, man hätte damit genug argumentiert, weil rechts mit schlecht gleichgesetzt wird. Doch erzeugt man mit derlei politischen Verortungen nur ein Gegenmuster, aus schlecht wird bei den „Rechten“ gut, während hier im Gegenzug „links“ mit schlecht gleichgesetzt wird. Rechte und linke Verortungen werden zu Symbolen und politischen Welterklärungsmustern, erzeugen ein Freund-Feind-Schemata, das sich gegenseitig auch noch in der eigenen Weltanschauung bestärkt. Dies trägt null zur politischen Analyse bei, im Gegenteil es verhindert das eigentlich notwendige Gespräch über Wahrnahme und Erklärung von politischen Phänomenen. In der Auseinandersetzung mit der AfD, die mitten in der Gesellschaft angekommen ist, trägt dieses Schema weder zur Klärung noch zur Lösung bei, es verhindert sie eher. Und, das sei mir an dieser Stelle gestattet zu sagen, es ist ganz altes Denken. Gehört in die Zeit der Großen französischen Revolution resp. in das Vokabular des Klassenkampfes, den bekanntlich bereits Gorbatschow ad acta gelegt hat. 

 

5. Bei meinen anschließenden Recherchen musste ich feststellen, dass weder im Internet, noch bei meiner Partei, noch bei den Landeszentralen für politische Bildung oder aber der Bundeszentrale Handreichungen existierten, die sich inhaltlich mit den Positionen der AfD auseinandersetzten, und die einem das Verständnis dieser politischen Kraft erleichtern, die die Ideen dieser Kraft, die politischen Traditionen, die hier aufgegriffen werden, schildern und die Orientierung und Argumente geben, mit denen man eine Debatte mit Anhängern dieser Kraft bestehen kann. Man war gewissermaßen auf sich selbst angewiesen, wie es im politischen Alltag so häufig der Fall ist. 

 

6. Die beiden anschließenden Mitgliederversammlungen des Fördervereins gaben spiegelbildartig die bereits im Vorstand gefundene Debattenlage wieder, allerdings schlug das Pendel hier in verstörender Weise zugunsten der Positionen der AfD aus. Hier, insbesondere in der zweiten Mitgliederversammlung nahmen die Befürworter von AfD-Positionen im Grunde totalitär anmutende Züge an. Sie ließen die Kritiker der AfD gar nicht mehr zu Wort kommen, versuchten sie im Grunde mundtot zu machen und auszugrenzen. Eine sachliche Debatte darüber wurde verweigert. 

 

Dies war auch eine interessante aber vor allem erschreckende Beobachtung dieser Debatte. Die Anhänger der AfD, welche sich ja gerne über die angebliche Beherrschung des öffentlichen Diskurses durch linke, rote, oder rot-grüne Meinungsmacher beklagen, gegen den sie sich zu wehren vorgeben, gehen selber noch viel ausgrenzender vor, als sie es den rot-grünen Meinungsmachern unterstellen. Die Anhänger der AfD, da wo sie auftreten, wollen sich nicht nur behaupten, nicht nur ihre Positionen in den Diskurs einbringen, sie wollen den Diskurs diktieren. Das ist nicht demokratisch, das ist totalitär. 

 

7. Zwischen der ersten und der zweiten Mitgliederversammlung verschärfte sich die Debattenlage noch, weil der inzwischen wiedergewählte alte Vorsitzende Kürschner nun auch persönlich aktiv im öffentlichen Leben und als Journalist für die AfD Stellung bezog, in dem er in der Jungen Freiheit Namensartikel, darunter auch Leitartikel pro AfD veröffentlichte. Nun ergab sich eine neue Lage, denn es ist ein Unterschied, ob ich nur einfache Mitglieder habe, die zur AfD neigen oder ihr sogar angehören, oder ob die Positionen der AfD von prominenter, repräsentativer Stelle in einem Förderverein wie dem unsrigen eingenommen werden. Ich persönlich habe das für unvereinbar gehalten. Und ich habe dann dazu beigetragen, dass Förderverein und Gedenkstätte sich öffentlich positionieren mussten. Darüber hat sich ein großer Streit entwickelt, der öffentlich kommuniziert wurde, was für mich hilfreich war, und was ich angestrebt hatte. Dieser Streit zeigte die Gefahren auf, in denen sich Förderverein und Gedenkstätte durch die zunehmende Unterwanderung des Fördervereins mit Positionen der AfD befand, aber er zeigte auch die Ignoranz auf, mit der die Gedenkstättenleitung, und hier meine ich vor allem Hubertus Knabe mit dieser Gefahr umgegangen ist. Knabe war nicht in der Lage, sich öffentlich von Kürschner zu distanzieren, warum auch immer. Und er war nicht bereit den wachsenden Einfluss von AfD Positionen im eigenen Laden zur Kenntnis zu nehmen, weil er dann sein Konzept der Zeitzeugen-Führungen, im Grunde sein gesamtes Gedenkstättenkonzept hätte in Frage stellen müssen. In diesem Zusammenhang wurde das Problem Kürschner zu einem Problem Knabe. Sicher ist Knabe auch ein Opfer seiner Hybris geworden, wie so manche öffentliche bedeutsame Leitungspersönlichkeit. Einen unmittelbaren Zusammenhang zu den öffentlich bekannt gewordenen Vorwürfen in Sachen sexistischem Verhalten, die dann zur Abberufung Knabes führten kann ich nicht erkennen. Eine zeitliche Parallelität besteht sicher, muss aber nichts besagen. 

 

8. Die künftige Leitung der Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen wird sich überlegen müssen, ob und wie sie sich wieder auf einen Förderverein einlässt. Der Gegenwärtige scheidet in meinen Augen für eine Zusammenarbeit nach dieser Vorgeschichte aus. Er ist zu einer Erblast für die Gedenkstätte geworden. Zwar hat der Förderverein einen neuen Vorsitzenden. Aber die meisten von denen, die im Verein für einen offenen Diskurs standen, die vor einer zu engen Nachbarschaft mit den Positionen der AfD in Sachen Aufarbeitung warnten, oder dies zumindest als Gefahr ansahen, haben den Förderverein verlassen. 

 

9. Als Quintessenz ist festzuhalten: 

 

Auch für einen Förderverein einer Gedenkstätte für kommunistisches Unrecht gilt der antitotalitäre Konsens. Er ist die Geschäftsgrundlage für die Arbeit jeder Gedenkstätte kommunistischen Unrechts. Ohne ihn, den antitotalitären Konsens wäre die Errichtung dieser Gedenkstätten in Deutschland gar nicht möglich gewesen. 

 

Keine Gedenkstätte kann es sich leisten, dass ihre Repräsentanten öffentlich mit Positionen sympathisieren, die 

 

  • den Nationalsozialismus verharmlosen,
  • ihn zum Vogelschiss der deutschen Geschichte erklären, 
  • das Gedenken an den Holocaust zur Schande erklären, 
  • das Problem des Einwanderungsdrucks auf die EU mit der Waffe in der Hand lösen wollen, 
  • die Stauffenberg im SS-Jargon zum Verräter erklären, 
  • und die die politische Verfolgung zu SED-Zeiten mit den Härten eines demokratischen Diskurses in unserer Demokratie und ihrer Öffentlichkeit gleichsetzen. 

Die Gedenkstätten können nicht die eigentlich politische Debatte mit der AfD leisten.

Sie müssen sich sicher als Anwalt der Opfer kommunistischen Unrechts verstehen, doch sie können sich nicht von den Opfern bzw. einzelnen ihrer Stimmen ihre eigene Haltung zu den beiden Diktaturen in Deutschland diktieren lassen. Das Erstarken der AfD innerhalb der Opfergruppen, bzw. die von mir beobachtete angewachsene Sympathie für Positionen der AfD hat sicher mehrere Ursachen, wozu auch die stiefmütterliche Behandlung der Anliegen der Opfergruppen seitens der regierenden Parteien gehört. Hier schlagen auch regelrecht gebrochene Versprechen zu Buche. Doch die berechtigte Empörung darüber ist keine Entschuldigung für einen erkennbar gestiegenen Einfluss der AfD. 

 

10. Man darf nie vergessen, dass die Gefängnisse des politischen Unrechts in der DDR von der friedlichen Revolution geöffnet wurden. (Das gilt nicht nur allgemein, sondern auch ganz konkret und ist aktenkundig.) Die war sich im Klaren darüber, dass nur die Demokratie und die Abkehr von jeglicher Form von Nationalismus Deutschlands Zukunft und Einheit in einem friedlichen Europa sichern können. Mit nationalistischen Positionen, einer Verharmlosung der NS-Vergangenheit, wie die AfD sie an den Tag legt, wäre das alles nicht zu machen gewesen. Dies gehört zum Vermächtnis der heutigen Gedenkstätten des kommunistischen und SED-Unrechts mit hinzu und muss von ihnen kommuniziert werden. Sie müssen eben nicht nur sagen, was war, sondern auch, wie es überwunden wurde. 

 

Und die AfD soll wissen, dass ihre Haltungen nicht unwidersprochen bleiben, und dass in der Aufarbeitungslandschaft kein Platz für sie sein kann. Kurz, die Gedenkstätten im Speziellen, die Aufarbeitungsszene im Allgemeinen, und auch die Opferszene müssen sich immunisieren gegen die Positionen der AfD. 

 

19-02-13 Statement_Der rechte Rand der D
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