Corona - Drama

Wie in vielen Familien, bildet auch bei uns die Küche ihr Begegnungszentrum. Sie verfügt über ein grosses Fenster in einen kleinen, von allen Seiten mit Häusern abgeschlossenen Hof. Da wir aber im zweiten Stock wohnen, und das Küchenfenster nach Süden zeigt, ist dieser Raum dennoch der sonnigste der ganzen Wohnung. Wir können dort auf Grund der Weinberankung des Hofes viele Vögel beobachten, die versuchen im Hof zu nisten, und das z.T. sehr erfolgreich. So lag es nahe, mit einem Nistkasten, den ich in Fensterhöhe angebracht hatte, ein paar Amseln anzulocken, und vielleicht Zeuge dieses bewunderswerten Naturschauspiel zu werden; der Aufzucht von jungen Amseln, direkt vor unserem Fenster. Bar jeder Ahnunung,  wie so ein Nistkasten aussehen sollte folgte ich bei seinem Bau meinen Freude am Bauen und tischlerischen Gestalten. So kam ein Nistkasten mit Balkon heraus, der für Amseln gar nicht zu benutzen ist, weil das Bodenbrüter sind, die niemals auf dem Niveau des zweiten Stockwerks einen Nistplatz suchen würden. Aber nun hing er da, inzwischen schon einige Jahre, von Küchenfenster aus gut zu sehen, unbenutzt aber funktionsfähig. 

In diesem Jahr nun inspizierte ein Taubenpärchen diesen Nistkasten bereits schon in den leider nicht so kalten Wintertagen. Vermutlich war es das Taubenpärchen von gegenüber, das auf dem Sims des Badfensters unseres Nachbarn von gegenüber, unserem Freund und Zahnarzt, ein Taubennest installiert hatte, ziemlich kühn und wie sie erwies auch haltbar. Aber so ein benutztes Taubennest ist auch eine Dreckschleuder ersten Ranges. So nahm es nicht wunder, das unser Nachbar dieses Nest nach der – erfolgreich verlaufenen – Brutperiode wieder entfernte. Das also war der Hintergrund, dass auffällig oft, Tauben nun unseren Nistkasten inspizierten. Und das war eigentlich nicht im Sinne der Erfindung gewesen. Tauben, die Ratten der Lüfte, wie unsere Tochter sie gerne nennt, haben kein gutes Image. Ich überlegte schon, den Nistkasten abzubauen, liess es dann aber, den künftigen Ereignissen neugierig entgegensehend. Uns so begannen die Tauben tatsächlich hier ein Nest zu bauen. Das war nicht ganz einfach. Denn das kleine Häuschen war eigentlich zu klein. Eine Taube konnte sich da kaum drin drehen. Und sie konnte von daher auch nicht vorne herausgucken beim Brüten. Doch das scherte die Tauben nicht. Als der Frühling begann, begannen die Tauben ihre Eier zu legen. Und sie brüteten tatsächlich. 

Das ging einige Tage so. Und irgendwann schlüpften die Jungen, da war der Corona - Shut down schon beschlossen. Aber dann durften wir die Tierwelt von ihrer gar nicht so niedlichen Seite beobachten. Denn ein anderes Taubenpäärchen begann eines Morgens unsere Tauben in ihrem Nistkasten zu attakieren. Das liessen die sich natürlich nicht gefallen. Sie verteidigten sich vehement. Das ging richtig zur Sache. Der fremde Täuberich pickte tief von oben auf dem Nistkasten sitzend in das Federkleid der brütenden Taube hinein, dass man die Schmerzen förmlich selbst empfunden hatte. Vier Tauben beflügelten und bekämpften sich 5 Meter vor unseren Augen. Ich konnte es nicht fassen. Welchen Sinn sollte das haben? Ich konnte mir keine Erklärung darauf machen. Sind sich diese Vögel so sehr der Erhaltung ihrer Art sicher, dass sie sich gegenseitig aus ihren Brutstätten schmeissen? 

Und diese Frage stellte sich noch drängender als nun eine Dritte ins Spiel kam. Eine Krähe hatte das Schauspiel beobachtet. Die schlichtete nun den Streit auf grausame Art. Denn sie entdeckte nun natürlich die geschlüpften Taubenjungen und sie packte sie und flog mit dem erst wenige Tage alten Jungen davon. Zwar kam sie nicht aus dem Hof heraus, sie krallte sich im Wein an der Hauswand fest, und liess das Junge auf den Hofboden fallen. Es lebte da bestimmt nicht mehr. Und die Krähe holte es sich auch von da wieder. Ich nehme an, sie verspeiste das tote Junge an Ort und Stelle. 

Keines der beiden Taubenpäärchen hatte nun etwas davon. Die Mutter der geraubten Jungen kam noch Tage danach zurück zum Nistkasten, aber da lag nur noch ein verwaistes kleines Ei. Zu Brüten versuchte die Taube nicht wieder. 

Ich nahm dann den Nistkasten ab, mit dem Taubennest und dem einen Ei. Das haben wir jetzt zur Erinnerung an den Kampf der Tauben. Irgendwann werde ich mit meinem Enkel einen neuen Nistkasten bauen. Für Spatzen. Nach Anweisung. Vielleicht haben wir ja da mehr Glück.