Monika Maron zwischen Welten

Monika Maron wandert zwischen den Welten. Ganz unschuldig an der Entzweiung mit ihrem Verlag ist sie nicht. Offenbar war ihr die Tragweite ihrer Entscheidung ein Buch im Antaios – Verlag veröffentlichen zu lassen, auf ausdrücklichen Wunsch ihrer Freundin, einer Buchhändlerin in Dresden offenbar nicht. 

 

Ich habe die Entscheidung des Fischer-Verlages, sich von Monika Maron zu trennen, bedauert. Das Buch „Flugasche“ mit der die Zusammenarbeit beider begann, 1981, noch zu DDR-Zeiten ist ein wertvolles Buch. Ich habe es gerne gelesen, wenn auch erst nach dem Zusammenbruch der DDR. Die spätstalinistischen Strukturen in einer ostdeutschen Zeitschriften-Redaktion, die typischen Ausgrenzungsphänomene der SED-Diktatur, das Zuziehen einer Schlinge, das im Buch mit Berufsverbot der Journalistin endet, das wird dort gut beschrieben. Es war klar, dass die SED die Veröffentlichung eines solchen Buches nicht zulassen konnte. Und es war auch klar, was mit der Autorin passieren würde, wenn sie dieses Buch stattdessen im renommierten Fischer-Verlag in Frankfurt am Main veröffentlichen lassen würde. 

 

Monika Maron hat  um die Veröffentlichung von „Flugasche“ in einem DDR-Verlag gekämpft. Doch das habe ich erst Jahre später erfahren, als es eine andere, ähnlich wellenschlagende Debatte um Monika Maron gab: 1995, 

die Entdeckung ihrer Stasi-Akte. Sie war damals nicht die einzige prominente Person der Zeitgeschichte, der das widerfuhr, und wie manche andere auch, versuchte sie, die Problematik dieser Zusammenarbeit zu verharmlosen. Das gipfelte für mich in einem Namensartikel der FAZ vom 14. Oktober 95. Da gab sie an, dass die Zusammenarbeit nicht mal ein Jahr gedauert hätte, dass sie ausdrücklich niemanden geschadet hätte, ja dass sie gegenüber dem MfS sogar erklärt hätte, dass sie niemanden verpfeifen würde. Und sie geht ziemlich hart mit ihren Kritikern, darunter 

Bärbel Bohley ins Gericht, die wohl gemeint hatte, dass die ganze Wahrheit ihrer Zusammenarbeit mit dem MfS in den Schnipsel-Säcken der zerrissenen Stasi-Akten lagere, und erst mit deren Rekonstruktion ans Tageslicht kommen würde. 

 

Meine Sympathie galt damals Bärbel Bohley, die von Monika Maron geschmäht wurde, als eine jener typischen ostdeutschen Oppositionellen die von ihrem geliebten Lieblingsfeind nicht lassen könne, und vor deren Vorstellungen von Gerechtigkeit sie der Rechtsstaat schützen möge. Meine Sympathie gilt auch heute noch Bärbel Bohley. Denn auch ich hatte meine Fragen, die mich bis heute gegenüber derartigen Erklärungsmustern wie die von Monika Maron misstrauisch machen. 

 

In meinen Augen waren Kontakte zur Stasi Tabu. Es gab bestimmte Sachen, die machte man einfach nicht in der DDR. Wer sich mit der Stasi einließ, der wusste, dass das die schlimmsten von allen sind. Eine Partnerschaft, gar aus eigenen, freien Stücken kam für mich dabei nicht in Frage. Für andere wohl schon. Aber wie die das anstellen wollten, dass sie für die Stasi dabei nicht zu einem willkommenen Helfer werden, das war mir immer schleierhaft. In dieser Bereitschaft zur Zusammenarbeit lag auch eine Respektierung, wenn nicht Anerkennung dieses ganzen diktatorischen Systems. Monika Maron arrangierte sich mit dem schlimmsten Unterdrückungsinstrument, das der SED zur Verfügung stand. In dem Moment als sie das tat, und die Akten offenbarten es wohl 1995, hatte sie eine rote Linie überschritten. Als Schriftstellerin war sie für mich damit erledigt. „Flugasche“ blieb das einzige Buch, das ich von Monika Maron gelesen habe. 

 

In ihrem Namensartikel für die FAZ, in welchem sie für ihre Rechtfertigung das Prinzip des Angriffs als beste Verteidigung wählte, erwähnt sie, dass sie für die Veröffentlichung von „Flugasche“ sogar bei 

Klaus Höpcke war, seinerzeit als Oberzensor der DDR gerade Kulturminister. Sie hatte einen Termin bekommen und wurde von ihm in seinem Büro, wahrscheinlich Molkenmarkt 1 in Ostberlin empfangen. 

 

Noch heute frage ich mich, über welche Kontakte sie verfügt haben musste zu DDR-Zeiten. Die waren allererster Güte. Da mag sicher zu beigetragen haben, dass ihr 

Vater, Karl Maron Innenminister der DDR war. Wie sehr sie sich hier zu Hause gefühlt hat, das weiss ich nicht. Aber dass es sich hier um die obere Ebene der Funktionärschicht handelt, das scheint mir offensichtlich zu sein. 

 

Monika Maron hat das nicht daran gehindert, „Flugasche“ zu schreiben. Das ist ihr hoch anzurechnen. Auch mit ihrer Ausreise aus der DDR 1988 vollzieht sie einen Bruch. Doch wie vollständig ist dieser Bruch? Hat sie die Problematik der SED-Diktatur über „Flugasche“ hinaus durchschaut? Haben sich ihre familiären Loyalitäten auch auf die politischen ausgewirkt? 

 

Und auch ihre Loyalität zu ihrer Freundin in diesem Dresdner Buchladen, der zuliebe sie ihren Essayband in der Reihe "Exil" veröffentlicht hat, sehe ich mit anderen Augen. Auch hier hat sie eine Grenze überschritten. Das macht "Flugasche" nicht zu einem schlechten Buch. Aber nachahmenswert ist das nicht. Ich finde nämlich, dass man Institutionen wie dem Antaios-Verlag nicht dabei helfen sollte, rassistische, völkische eben auch neonazistische Positionen in der Mitte der Gesellschaft wieder hoffähig zu machen.

 

Man kann nicht einfach zwischen den verschiedenen Sphären des eigenen Lebens hin und her changieren, ohne Klarheit zu schaffen, und die notwendigen Trennstriche zu ziehen. Man darf sicher nicht die persönlichen Beziehungen den politischen unterordnen, umgekehrt aber darf man auch wegen persönlicher Rücksichtnahmen in politischen Fragen Unklarheiten aufkommen lassen, insbesondere wenn wie bei Monika Maron, man eine Person der Öffentlichkeit ist. Es gibt Situationen, da kann man sich nicht um die notwendige Auseinandersetzung drücken. Die muss nicht mit einem persönlichem Bruch enden. Im Gegenteil, gerade funktionierende persönliche, private Beziehungen leben von der Offenheit und der Ehrlichkeit einander gegenüber. 

 

Monika Maron hat es ihr Leben lang in die Öffentlichkeit gedrängt. Dabei war ihr um provokante Debatten nicht verlegen. Aber man muss seine Positionen nicht nur offenlegen, sondern auch stringent zu Ende denken, man muss sie vor allem vom Ende her bedenken. Das aber hat sie nicht gemacht. So blieb sie einerseits dem DDR-System verhaftet, von dem sie sich doch distanzieren wollte. Und nun steckt sie in dem neurechten Sumpf, deren Thesen sie sich erklärtermaßen doch nach eigener Überzeugung nicht zu eigen machen will. So kann man auch noch mit 80 daran arbeiten, systematisch seinen eigenen Ruf zu ruinieren.