Stolpes Stasi - Kontakte, Bedeutung und Konfliktlage, eine Einführung

In Dietz-Verlag ist dieser Tage ein Buch erschienen, welches sich mit der Geschichte der Brandenburger Sozialdemokratie beschäftigt im Zeitrahmen von der Spätphase der Weimarer Republik über die Machtergreifung der Nazis, der sowjetischen Besetzung, über die DDR bis zu ihrer Demokratisierung und der Wiedererstehung Brandenburgs als Bundesland. 

 

Ich habe dieses Buch besprochen. 

 

Natürlich wird in diesem Buch auch Manfred Stolpe gewürdigt, der der erste Ministerpräsident dieses neu gegründeten Landes 1990 wurde, und der Land und SPD entscheidend mitgeprägt hat. Gleichwohl war er eine zutiefst umstrittene Persönlichkeit. Seine Stasi-Kontakte haben damals zu einer der heftigsten Debatten im wiedervereinigten Deutschland geführt. Ich hatte immer meine Meinung dazu, und habe sie auch geäußert. Die Brandenburger SPD hat sich um ihn geschart, und die problematischen Seiten von Stolpe nicht wahrhaben wollen. Dieser Linie ist das Buch "Sozialdemokratie in Brandenburg (1933-1989/90)" treu geblieben. Was Stolpe betrifft ist das Hofberichterstattung. Daher will ich versuchen, was das Buch nicht leistet, in die Konfliktlage um die Stolpeschen Stasi-Kontakte einzuführen. 

 

Diesen Versuch veröffentliche ich hier als Blog. Die gesamte Besprechung findet sich hier. 

Die Rolle Stolpes in Bezug auf seine Haltung zur DDR und zur SED-Diktatur wurde schon lange strittig diskutiert, bevor überhaupt das Ende der DDR in sichtbare Nähe geriet. Stolpe trug erheblich dazu bei, dass die Kirche sich als Institution und ihren kirchenleitenden Repräsentanten in Bezug auf die DDR versuchte neu zu ordnen - weg von der harten Konfrontationslinie der 50er Jahre, in der das SED-Unrecht gegenüber der Gesellschaft und ihren Bürgern klar benannt und kritisiert wurde, hin zu einer Art Arrangement mit der SED-Diktatur und ihrem Staat, der DDR, der man das Existenzrecht nicht mehr absprach, und wo sich die evangelische Kirche mehr auf die politischen Verhältnisse einzustellen versuchte, als sie permanent in Frage zu stellen. Das problematische dieser Haltung bestand quasi in einer Hinnahme des von der DDR gegenüber ihren Bürgern praktizierten Unrechts, wodurch die Kirche in eine Art Komplizenschaft geriet, der sie nicht wenigen DDR-Bürgern verdächtig machte. Diesen Weg ging in der Kirche nicht jeder mit, und die sich innerhalb der Kirche nach dem Mauerbau 1961 neuformierende DDR-Opposition schon gar nicht. Diese hatte einen ganz anderen Ansatz. Sie stellte die Legitimität des SED-Regimes grundsätzlich in Frage und ließ sich von der SED die eigene, auch persönliche Verantwortung für Land und Leute nicht absprechen. Sie entwickelte von daher eigene, neue Protestformen gegen den DDR-Sozialismus, mit denen sie interessanterweise nun nicht nur in (einen gewollten) Konflikt mit der SED geriet, sondern interessanterweise auch mit ihrer Kirchenobrigkeit, die sich den fragilen Burgfrieden mit der SED-Spitze nicht durch die in ihren Augen provokanten und nicht selten auch spontihaften Aktionen der sich in den berühmten kleinen Gruppen organisierenden DDR-Opposition in Frage stellen lassen wollte. Gleichwohl gelang dieser Opposition neben ihrer zunehmend politischen Profilierung auch etwas, von der die übrige Kirche nur träumen konnte. Die Kirche wurde wieder, zwar anfangs erst langsam, auch für kirchenferne Schichten attraktiv. Und das war insofern kein Zufall, weil die DDR-Opposition eben selbst Kirche war, zwar nicht repräsentiert durch die Kirchenobrigkeit, aber als gläubige Christen bis hin zu vielen kirchlichen Mitarbeitern eben doch Teil von ihr. Sie brauchte gar nicht erst unter das Dach der Kirche zu schlüpfen, sie war da schon lange vorher. Sie war ein eigenes christliches und letztlich auch kirchliches Gewächs.  Und in dieser wurde die Rolle von Stolpe zunehmend kritisch diskutiert. Denn Stolpe rückte die Kirche immer stärker in die Nähe der SED-Diktatur mit der er gemeinsame Werte und Traditionen beschwor; er versuchte den Kirche-Staat-Konflikt zu deeskalieren, in dem er bspw. seinen eigenen Bischof Forck 1988 antrug, der Einweihung des sanierten Greifswalder Doms fernzubleiben, um Honecker nicht zu verärgern, und er half dem inzwischen mit dem Rücken an der Wand stehenden SED-Regime bei der Lösung des Konflikts um die Inhaftierten der Rosa-Luxemburg-Demonstration 1988, der damals schon zu einem Auslöser der erst im Herbst 1989 ausbrechenden friedlichen Revolution hätte werden können. Auch dies sind nur Beispiele. Stolpe war also keineswegs der unumstrittene, liebevolle, helfende Kirchenvertreter, an den sich in Not geratene Bürger und Kirchenmitglieder vertrauensvoll wenden konnten, und die nicht selten berichteten, wie ihnen Stolpe tatsächlich geholfen habe. Seine politische Funktion bestand in der Aufrechterhaltung einer kirchlichen Position, die den Machtanspruch der SED-Herrschaft nicht in Frage gestellt sehen wollte, sondern akzeptieren, und sich damit arrangieren. Damit hätte er besser in die damalige Blockpartei CDU gepasst als in die sich neu gründende SDP, deren erklärtes Ziel die Entmachtung der SED war.

 

Ich war dabei, als Martin Gutzeit Anfang Dezember 1989 Thomas Krüger und Anne Katrin Pauk als Vertreter des Berliner SDP-Vorstands eine solche Abfuhr erteilte, wie ich das vorher von ihm noch nicht erlebt hatte. Beide wollten im Republik-Vorstand der SDP für eine Spitzenkandidatur von Stolpe für die SDP bei den inzwischen in greifbare Nähe gerückten ersten freien Wahlen der DDR werben. Beide verließen den Raum wieder, bevor der Vorstand überhaupt zusammengekommen war. Ich selbst hatte in meiner Funktion als 1. Sprecher der SDP der evangelischen Kirchenleitung einen Brief geschrieben, in welchem ich ihr das Recht absprach, ohne Legitimation durch das Volk, politische Positionen mit der SED zu verhandeln, gar in unserem Namen zu sprechen, weder in Bezug auf die SDP noch die Opposition als ganzer. Und jetzt sollte der Oberrepräsentant dieser Haltung, Stolpe ausgerechnet unser Spitzenkandidat werden, ein Mann, der kurz vorher noch Eppelmann davon abgehalten hatte, selbst in Sachen SPD-Gründung aktiv zu werden? Wie konnten wir, die neu gegründete SDP, deren wichtigstes Ziel die Beseitigung der SED-Diktatur war, einen Mann an die Spitze heben, dessen ganzes politisches Bemühen darin bestanden hatte, die Kirche und die Christen mit der SED-Herrschaft zu versöhnen, weil sie unabänderlich sei? Und das war sie ja seit 1985 nicht mehr. Das sah ja nun auch jeder. Stolpe allerdings erst ganz spät, zu spät. Es war ihm nicht gelungen, seine politische Position an die neue Lage anzupassen. Daher geriet er in der friedlichen Revolution in die politische Versenkung, aus der ihn Steffen Reiche im August 1990 wieder herausholte, indem er ihn dann allerdings eine Spitzenkandidatur, aber nun für den neu zu wählenden Ministerpräsidenten Brandenburgs antrug. In meinen Augen war das eine Rolle rückwärts.

 

Ich hatte Steffen Reiche davon abgeraten. Aber er meinte, die Messen seien schon gesungen, seine eigene Vermittler-Rolle bei dieser Spitzenkandidatur verschweigend. Später hat er sie dann in seinen Selbstzeugnissen immer wieder beschrieben. Er ist sogar stolz darauf. Das darf er von mir aus. Ein Fehler war das trotzdem. Wie groß dieser Fehler war, zeigte sich erst bei den Debatten um Stolpes Stasi-Kontakte.

 

Der Bundestag brachte im Herbst 1991 das Stasi-Unterlagen-Gesetz auf den Weg, mit dem das Akteneinsichtsrecht in die persönlichen Stasi-Akten realisiert wurde. Stolpe musste damit rechnen, dass viele Leser in ihren Stasi-Akten auch auf seinen Namen stoßen würden, und was sie da zu lesen bekommen würden, das würde ihm keineswegs zur Ehre angerechnet werden. Wohl deshalb kam Stolpe den Debatten zuvor, indem er kurz vorher mit einer Buchveröffentlichung von sich aus seine Stasikontakte selbst einräumte und bei der Gelegenheit sein eigenes Narrativ gleich mit. Alles sei zum Segen und Besten der Kirche und zur Lösung der ihm anvertrauten Anliegen von Bürgern der DDR, die sich SED-Repressalien ausgesetzt gesehen hatten, geschehen. Doch das reichte ihm noch nicht, er erklärte in dem Zusammenhang auch, dass die Kirche der Garant der DDR-Opposition gewesen sei, und dass er, Stolpe seine Stasi-Kontakte auch dazu genutzt habe, den wehrhaften kirchlichen Schirm über die Opposition zu halten, ihre Vertreter persönlich geschützt habe vor staatlicher Verfolgung oder sie gar wieder aus dem Gefängnis geholt habe. So gesehen, sollte ihm die DDR-Opposition eigentlich dankbar sein, meinte Stolpe, denn ohne diese Kirche, wie er sie auch gegen das MfS vertreten habe, hätte die DDR-Opposition gar nicht wirken können. Das konnte kein Vertreter der ehemaligen DDR-Opposition auf sich sitzen lassen. Denn dieses Narrativ war erstens eine Lüge auf dem Rücken der DDR-Opposition, es widersprach ihrer politischen Erfahrung, und es sprach der Opposition jeglichen Einfluss beim Zustandekommen der friedlichen Revolution und der Entmachtung der SED ab. Letztlich war dies alles der Kirche, und ihm Stolpe zu verdanken, ohne den die Opposition in den Kerkern der SED-Diktatur verschwunden wäre. Die Opposition geriet bei ihm in den Ruf, willkommenes Instrument seines segensreichen und letztlich politischen Handelns gewesen zu sein.

 

Nun muss man wissen, dass nichts in der DDR-Bevölkerung so verhasst war die staatliche Geheimpolizei der SED, die Stasi. Vor nichts war die Angst so groß und allgegenwärtig, wie vor diesem Schutzschild von Partei und Staat. Und nichts war so verpönt, wie eine Mitarbeit bei ihr. Mit der Debatte um Stolpes Stasi-Kontakte ging es also um die Rolle der Stasi als solcher, und die Rolle derjenigen, die hier mitgearbeitet hatten. Damit aber ging es um einen ganz wesentlichen Teil der Aufarbeitung der untergegangenen SED-Diktatur, und zwar sowohl in persönlicher Hinsicht bei den Mitarbeitern im Öffentlichen Dienst, als auch bei der Bewertung der ganzen Diktatur und ihrer Verbrechen, und es ging nicht zuletzt um die SPD, die ja in klarer Gegnerschaft zum totalitären Staat und seiner Diktatur gegründet wurde, und die sich von Anfang an der Aufarbeitung des SED-Unrechts verpflichtet wußte. Und es ging um den Widerspruch zu Stolpes Aussagen, dass die Opposition ihr Wirken seinen Stasi-Kontakten zu verdanken gehabt hätte, also letztlich die Selbstbehauptung all jener, die ihr politisches Wirken ihrem Engagement innerhalb der DDR-Opposition zu verdanken hatten. Stolpe hatte in seiner Not ein Narrativ erfunden, dass allen anderen politischen Akteuren außer der Kirche und ihm, jegliche Eigenständigkeit abgesprochen hatte. Er persönlich erhob den Anspruch der Vater allen Widerstehens gewesen zu sein.

 

Nebenbei relativierte er dabei gleich die Stasi mit, insbesondere die Bereitschaft eines jeden einzelnen IMs mit dieser Institution zusammengearbeitet zu haben. Sein Narrativ war geeignet, das gesamte gesellschaftliche Verhältnis zur Stasi und damit zur SED-Diktatur auf den Kopf zu stellen. Das MfS wurde von einem unberechenbaren, aggressiven Schwert gegen die einfachen Menschen zu einer von diesen beherrschbaren Institution, wenn man es denn schaffte, wie er, Stolpe, durch Cleverness und gesichert durch die Auftrag der Kirche, sich diese Institution zu Nutze zu machen und damit zu entschärfen.

 

Die Vertreter der ehemaligen DDR-Opposition setzten sich zur Wehr. Aber sie hatten der Professionalität von Stolpe nichts entgegenzusetzen. In den damaligen öffentlichen Diskussionen und Talkshows gingen sie sang- und klanglos unter. Sie schafften es nicht, das väterliche Fürsorge-Narrativ von Stolpe zu entkräften. Vielmehr entstand der Eindruck einer gewissen Hilflosigkeit der ehemaligen Opposition. Das half Stolpe natürlich.

 

Was ihm auch half, waren plumpe Attacken von einigen konservativen Medienvertretern, die ihm zum Rücktritt aufforderten, die aber gar nicht verstanden hatten, welche Wirkung sein Narrativ der Stasi-Kontakte zum Segen von Kirche und Mitbürgern entfaltete. Zumal diese Medienvertreter nicht selten aus der alten Bundesrepublik kamen und von daher den Ossi-Wessi-Konflikt, der die öffentliche Debatte beherrschte, noch bedienten. Nun schlossen sich die Ossis um „ihren“ Mann Stolpe zusammen. Er wurde ihnen zu einem Beispiel des aufrechten Ostdeutschen, der von den Westdeutschen plattgemacht werden sollte, weil er anders war als sie.

 

Was ihm auch half, war die Hilflosigkeit einer ganzen Reihe von Kirchenvertretern, die im Angriff auf Stolpe einen Angriff auf die gesamte evangelische Kirche in der DDR, und letztlich in Deutschland sahen. Der bruderschaftliche Geist, der in ihr beschworen wurde, schloss ihre Reihen zusammen. Was aber einige von ihnen dachten, fasste der damalige Bischof und letzte Ratsvorsitzende des Kirchenbundes in der DDR, Gottfried Forck in Worte, als er vom Erschrecken über das Ausmaß der Stasi-Kontakte von Stolpe in seiner Auslegung des kirchlichen Auftrages sprach.

Was Stolpe nicht zuletzt half, waren die handfesten Solidaritätsbekundungen der SPD, die ihren Mann im Osten, dem einzigen, der es geschafft hatte in Ostdeutschland eine Landtagswahl zu gewinnen. All das machte jede Form kritischer Anmerkungen zu Manfred Stolpe in der SDP schwierig, weil der Preis dafür eine kollektive sozialdemokratische Ausgrenzung zumindest in der Brandenburger SPD war.

 

Trotzdem erklärte ich, um hier mal auf meine Person zu sprechen zu kommen, der ja im Text über Stolpe zumindest erwähnt wird, in allen Gremien der SPD, dass weder die MfS-Tätigkeit noch das Narrativ von Stolpe hinnehmbar sei: im Landesvorstand, in der Landtagsfraktion und auf dem Senftenberger Landesparteitag. Auf letzterem begründete ich das mit unserer Rolle als antitotalitärer Partei, die im Kampf gegen die SED-Diktatur gegründet und siegreich gewirkt hat, und die an der Seite der Opfer der SED-Diktatur stehen müsse. Und deshalb müsse sie Stolpe auffordern, sein Amt ruhen zu lassen. Dafür wurde ich ausgebuht im Herbst 1992. Aber in meinem eigenen Landesverband gab es doch auch Stimmen, die ihr Erschrecken zeigten über die Art und Weise wie dieser mit Kritik an Stolpe umging. Was war aus der Partei geworden, die einst für Demokratie und freie Meinungsäußerung gegründet worden war?

 

Die erste, die bezahlte für Stolpes Verteidigungskampagne, war die SPD selbst. Ihre Glaubwürdigkeit in Sachen Aufarbeitung der SED-Diktatur hatte Schaden genommen. Das nächste waren die Stasi-Überprüfungen im Lande, die ja als Teil der Aufarbeitung ihren Anteil beitragen sollten, jene, die sich in der DDR allzu sehr mit dem System eingelassen hatten, nicht mehr als Inhaber öffentlicher Ämter tragbar waren, zu entlassen. Flächendeckend wurden diese Stasi-Überprüfungen eingestellt, sogar in der Polizei und Justiz, von Hochschulen und Schulen ganz zu schweigen. Es freute sich die ehemalige SED, jetzt PDS, weil die Debatte von ihrer Verantwortung ablenkte, und es freute sich die ehemalige Blockpartei CDU, weil nun niemand mehr von ihrer Komplizenschaft mit der SED redete. Auf dem Altar der Anpassung an die SED-Diktatur, hatte die SDP/SPD selbst ihren antitotalitären Gründungsimpuls vom Oktober 1989 geopfert. Mit dieser Debatte um die Stasi-Kontakte von Manfred Stolpe war die Brandenburger SPD nicht mehr wiederzuerkennen. Sie hatte ihre einstige Lebendigkeit, ihre Debattenkultur verloren, sie wurde zu einem Unterstützerverein von Stolpe, den sie zu einem lebendigen Denkmal machte.

 

Die Brandenburger Ampelkoalition zerbrach über die Frage der Stasi-Kontakte von Stolpe. Marianne Birthler trat zurück, Platzeck schloss sich der SPD an, das Bürgerbündnis, dem sie angehört hatten, zerbrach und hörte auf zu existieren. 

 

Und die ehemaligen Vertreter von Stasi und alter DDR rieben sich die Hände. Besser als mittels ihres ehemaligen IMB, Manfred Stolpe, alias „Sekretär“ hätten sie gar keine Verharmlosungslegenden über das Wirken des MfS erfinden können.

 

Dass ich selbst meine Kritik an diesem Verhalten von Stolpe 1992 politisch überlebt habe, verdankte ich meinem Wirken in der SPD-Bundestagsfraktion, die nicht bereit war, ihr Verhältnis zu mir, meinem Verhältnis zu Manfred Stolpe unterzuordnen. Im Gegenteil, ich machte hier Karriere, wurde Bildungssprecher, in den Fraktionsvorstand gewählt und später Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium in der rot-grünen Bundesregierung unter Schröder, und nahm damit, aber das nur nebenbei, als erster Brandenburger Sozialdemokrat an Sitzungen des Bundeskabinetts teil. Aber die Debatte um Stolpe verfolgte mich. Und da ich mich neben meiner bildungspolitischen Tätigkeit generell mit Aufarbeitungsthemen beschäftigte, blieb es nicht aus, dass ich auch immer wieder meine Kritik an der Handhabung der Stolpeschen Stasi-Kontakte erneuerte.

 

Als Stolpe dann zum Bundesminister meines eigenen Ministeriums berufen wurde, spitzte sich für mich die Situation zu. Es ging darum, Glaubwürdigkeit und Perspektive in Einklang zu bringen. Mit dem Satz: „Mit Stolpe hat die Firma am Kabinettstisch Platz genommen.“ verabschiedete ich mich letztlich von meiner politischen Karriere. Einzig dieser Satz ist es, der die Herausgeber des Buches über die Brandenburgische Geschichte der SPD bis 89/90 hatte sagen lassen, hier seien auch die Kritiker von Stolpe zu Worte gekommen. 

 

Stolpe hat viel gelogen in seiner politischen Karriere, und er ist lange damit durchgekommen. Er hat die Demokratie nicht angestrebt, er hat sie benutzt. Er ist der intelligente Vertreter einer Schicht, die in der Lage ist, sich an alle politischen Verhältnisse anzupassen, und sich zu Nutze zu machen. Es interessierte ihn nicht, was er früher gesagt hat, oder nicht, wenn es denn seinem Fortkommen nutzte. Bei ihm kann man studieren, was Professionalität auch bedeutet. Was Integrität bedeutet, braucht allerdings andere Lehrmeister.