Die Berliner Landespolitik ist mit einem blauen Auge davon gekommen.
Und es wundert mich wie regungslos und starr sie der Kampagne für den Volksentscheid zugesehen hat, ohne irgendwelche eigenen Aktivitäten zur Aufklärung der Bevölkerung über die schädlichen Folgen einer Zustimmung zum Anliegen der Unterstützer und Befürworter dieses Volksentscheides beizusteuern.
Dass die Berliner Wahlbevölkerung dennoch diesen Volksentscheid abgelehnt hat, ist einigen Einzelstimmen, einer kritischen Begleitmusik in den Medien, die aber erst in den letzten zehn Tagen vor dem Volksentscheid einsetzte, und natürlich dem Quorum zu verdanken, das der Gesetzgeber als Hürde für den Erfolg eines solchen Volksentscheides eingebaut hat, und das aus guten Gründen.
Die politischen Parteien sind nicht nur dazu da, im Parlament zu debattieren, zu regieren, oder Gesetze zu diskutieren und zu verabschieden. Sie haben auch die Aufgabe politische Orientierungen zu liefern, wenn es nötig wird und wenn es geboten erscheint. Dieser Aufgabe sind die Berliner Parteien im Vorfeld dieses Volksentscheides nicht nachgekommen.
Plebiszitäre Elemente, die seit den 90er Jahren vermehrt in die deutsche Politik Einzug gehalten haben, verändern die Spielregeln der politischen Auseinandersetzungen, aber sie sind nun wirklich kein Grund für die Sprachlosigkeit, die in Berlin vor diesem Volksentscheid geherrscht hat.
Es ist legitim, dass die Initiatoren des Volksentscheides eine so große Kampagne gefahren haben, und dass es ihnen gelungen ist, finanzielle Mittel dafür einzuwerben. Doch dass ihnen die anderen politischen Akteure nahezu kampflos den öffentlichen Raum überlassen haben, das war ein Akt politischer Dummheit. Dabei hätte Berlin ja eigentlich aus den Erfahrungen über den Volksentscheid zum Tempelhofer Feld lernen können.
Wenn aber immer nur die Initiatoren eines Volksentscheides für ihre Sache werben, dann werden bald Partikularinteressen die politische Landschaft beherrschen.
Es war schon zu merken, dass CDU, SPD oder FDP keineswegs zu Befürwortern von „Klimaneutrales Berlin 2030“ gehört haben, aber öffentlich Stellung dazu bezogen, gar mit eigenen Plakaten dagegen aufgetreten sind, für ihre eigenen Positionen geworben, haben sie nicht.
Nochmal, man darf für ein klimaneutrales Berlin 2030 sein, man darf auch dafür werben, aber man darf auch sagen, wie unrealistisch, unbezahlbar das geworden wäre. Und wenn eine Seite eine Kampagne fährt, dann müssen die anderen politischen Parteien für ihre Positionen und deren Durchsetzung eine Gegenstrategie entwickeln, dann müssen sie eine Gegenkampagne fahren.
Plebiszitäre Elemente sind gut und schön. Sie mögen dazu beitragen, den Volks- oder besser Wählerwillen stärker zu repräsentieren. Doch das macht die Interessen derjenigen, die sich des Mittels plebiszitärer Elemente bedienen, noch nicht überlegen, noch nicht sakrosant. Volksentscheide verlagern politische Sachentscheidungen jenseits von Wahlkämpfen raus aus den Parlamenten unmittelbar in den öffentlichen Raum. Und dann müssen sich die Parteien eben an diesen Auseinandersetzungen im öffentlichen Raum auch beteiligen.
Kurz, dann gehört es auch zur Pflicht eines politischen Bürgers, einen Volksentscheid abzulehnen, wenn er einem nicht passt. Dann reicht es nicht, sich auf ein Quorum zu verlassen. Doch das muss man den Leuten auch sagen.
Volksentscheide haben ihre eigenen Spielregeln. Wer aber gar nicht erst mitspielen will, der überlässt den politischen Raum den Initiatoren dieser Plebiszite.
Es zeigt sich, dass diese in Deutschland relativ neuen Elemente der politischen Entscheidungsfindung, das politische Geschäft nicht erleichtern. Aber man kann damit umgehen. Sie sind jetzt da, und ich will sie nicht abschaffen. Aber ich will, dass die Parteien verantwortungsbewusster damit umgehen.