Kriegsdienstverweigerung russischer Soldaten und Wehrpflichtiger als Asylgrund anerkennen

Es wird hierzulande viel darüber diskutiert ob man russischen Kriegsdienstverweigerern das Recht auf politisches Asyl zusprechen dürfe.

 

Dagegen wird vor allem juristisch argumentiert. So konnte man schon hören, dass Desertion, also die Flucht von der Truppe, vor Kriegsdienst und Wehrdienst, ja auch in Deutschland strafbewehrt sei.

 

Zum zweiten spielt hier Groll gegenüber der russischen Gesellschaft im Allgemeinen, und ihrem männlichen Teil im Besonderen eine Rolle, der unterstellt wird, sich viel zu leicht und unbedenklich vor den expansionistischen Karren des Putin’schen Russland spannen zu lassen, und erst jetzt, wo es der russischen Armee an den Kragen geht, aus Angst vor den persönlichen Konsequenzen, also dem eigenen Tod, ihr Heil in der Flucht vor dem Armeeeinsatz zu suchen und es sich selbst mittels des Asylrechts in Deutschland wohl sein zu lassen. Dieser Groll aber ist blind für die Komplexität auch der Situation der russischen Gesellschaft. Er macht die Opfer der Putin’schen Repressionspolitik im eigenen Land zu ihren Tätern. Er ruft mehr nach Rache als nach Schwächung der russischen Armee.  

 

Es mag sein, dass erst der Krieg Russlands gegen die Ukraine aus Kriegsdienstverweigerern politische Widerständler gemacht hat. In der Sache läuft es auf das gleiche hinaus. Wer sich in Russland einem Einsatzbefehl für den Krieg gegen die Ukraine widersetzt, muss mit politischer Verfolgung und schweren Strafen rechnen. Und deshalb sollte er bei uns als politisch Verfolgter anerkannt werden.

 

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist eindeutig ein Völkerrechtsbruch, also Unrecht. Daran ändert die innere Rechtslage Russlands Null.  Wir haben es in Russland mit dem schlimmsten Unrecht zu tun, nämlich jenem, das im Gewande des Rechts daherkommt.

Auch Soldaten haben Rechte. Sie sind aus menschenrechtlichen aber auch aus Gründen des Völkerrechts nicht verpflichtet, Befehle, die eine Verletzung des Völkerrechts verlangen, auszuführen. Sie dürfen sie verweigern. Der ganze Krieg Russlands gegen die Ukraine ist ein Bruch des internationalen Völkerrechts. Die militärischen Angriffe gegen die ukrainische Zivilbevölkerung kommen dabei noch erschwerend hinzu.

Wer sich also durch seine Kriegsdienstverweigerung in Russland versucht diesem Unrecht zu entziehen, sollte sich auf die internationale Praxis des Menschenrechts berufen dürfen. Weil er dafür vom russischen Staat verfolgt wird, handelt es sich ganz eindeutig um eine politische Verfolgung. Und damit greift unser deutsches Asylrecht.

Und außerdem gibt es da noch einige wesentliche politische Zusammenhänge.  Deutschland hat angesichts russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine eindeutig Stellung bezogen hat. Es hat erklärt, dass Russland der Aggressor ist, dass Russland damit Völkerrecht bricht. Deutschland steht an der Seite der Ukraine. Es wird ihr helfen sich der russischen Invasion zu erwehren, solange dies nötig ist und von der Ukraine gewünscht wird.

 

Es macht doch überhaupt keinen Sinn russischen Kriegsdienstverweigerern, die durch ihre Kriegsdienstverweigerung das russische Militär schwächt für eine Handlung zu bestrafen, die in unseren Augen unterstützenswert ist.

 

Das grundsätzliche Einräumen von politischem Asyl gegenüber den russischen Kriegsdienstverweigerern stärkt jenen Männern in Russland den Rücken, denen angesichts des Unrechtscharakters des russischen Krieges gegen die Ukraine deutlich wird, dass hier eine Grenze überschritten wird, dass sie hier nicht mehr mitmachen dürfen, dass sie eine persönliche Entscheidung treffen müssen; eine Entscheidung, die politischen Widerstand darstellt.

 

Und nicht zuletzt wäre ist das grundsätzliche Einräumen von politischen Asyl für russische Kriegsdienstverweigerer ein ganz klares Signal an die sich entwickelnde russische Zivilgesellschaft, dass wir uns mit ihr solidarisieren und ihr Bemühen um einen demokratischen und rechtsstaatlichen Wandel in Russland begrüßen und unterstützen.  

 

 

Ergo kann in Bezug auf die russischen Kriegsdienstverweigerer in und von Deutschland nur erklärt werden, dass diese Kriegsdienstverweigerung von uns begrüßt, unterstützt wird, und dass die Verfolgung von russischen Kriegsdienstverweigerern in Russland, selbst da, wo sie nur angedroht ist, bei uns als politischer Asylgrund gewertet wird.