Ein Fressen für die Geier

Regie: Don Siegel mit

Shirley MacLaine und

Clint Eastwood

 

1970

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Im Nachlass einer Wohnung, die einst einem Flohmarkthändler gehört hatte, fanden sich einige Videos aus den 80-ger Jahren der alten Bundesrepublik in zum Teil noch erstaunlich gut erhaltener Qualität. Noch erstaunlicher war der ursprüngliche Preis, der als UVP noch auf dem Cover aufgedruckt war: 50 DM: ein krasser Widerspruch zu dem subjektiven Gefühl permanenter Verteuerung.  

 

Die Geschichte des Films ist harmlos. Ohnehin erwartet man ja von einem Western nicht viel Inhalt, sondern Action, Heldenmut, harten Charme, Verfolgungsjagden und dass zum Schluss das Gute siegt. Wenn der Film gut ist, weist er gute darstellerische Leistungen auf; dann ist die Voraussetzung für einen unterhaltsamen Filmabend schon gegeben. Mehr braucht es dafür nicht.

 

Das ist bei Fressen für die Geier durchaus alles gegeben.

 

Ein Westernheld, Hogan, gespielt von Clint Eastwood reitet durch eine karge, sandige und felsige Landschaft und hört in der Hitze Schüsse. Dem nachgehend entdeckt er drei Männer, die sich eine sadistische Freude bereiten, in dem sie eine halbnackte Frau quälen und ganz offensichtlich beabsichtigen, sie zu vergewaltigen. Der Held Hogan befreit die Frau, indem er die Männer erschießt. Es stellt sich heraus, dass die Frau, genannt Sara, gespielt von Shirley MacLaine eine Nonne ist: Schwester Sara. Damit ist man auf dem Grund des Films angelangt, alles andere wirkt wie Kulisse, denn es geht nur um das Verhältnis dieser beiden: Hogan und Sara.

 

Nebenbei geht es auch um den mexikanischen Bürgerkrieg und die französische Invasion in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Denn in dieser Zeit spielt die Geschichte, die ursprünglich von Budd Boetticher erfunden wurde, der selber Filmemacher war, aber wegen einer finanziellen Pleite sein eigenes Projekt nicht verwirklichen konnte.

 

Um es gleich zu sagen, obwohl viel Blut fließt, handelt es sich beim „Fressen für die Geier“ nicht um ein Drama. Es ist eine Westernkomödie, die amüsiert. Denn zwischen den beiden, Hogan und Sara fliegen die Spitzen und Pointen nur so hin und her. Hogan würde Sara am liebsten vernaschen, aber eine Nonne vernascht man schließlich nicht, nicht mal als Revolverheld tut man das. Da gibt es so etwas wie Anstand im Blut, und den hier besonderen männlichen Beschützerinstinkt, den Sara geschickt für sich zu nutzen weiß. Hogan will anfangs Sara wieder loswerden, aber das gelingt nicht so einfach. Sie werden von einer französischen Einheit verfolgt, die, wie es sich herausstellt, Sara haben wollen. Und das kann Hogan nicht zulassen.

 

Und die Nonne ist nicht einfach nur keusch, sie ist auch gebildet. Und sie steht mitten im Leben, welches sie keineswegs nur ihrem Herrn Jesus Christus gewidmet hat, sondern auch dem Hass auf die Franzosen und der Unterstützung der mexikanischen Befreiung von deren Invasionstruppen. Mehr Hintergrund zum blutigen Bürgerkrieg erfährt man nicht. Denn, wie gesagt, der Krieg ist Staffage, auch Mexiko ist Staffage; einzig benutzt um die Story nicht in einem rein erfundenen Raum spielen zu lassen. Ein Western bildet schließlich auch ein wenig den Ernst des Lebens ab, der auf amerikanische Weise gemeistert werden muss.

 

Die Franzosen entpuppen sich also als die Klammer des Pärchens. Denn Hogan hasst sie zwar nicht, immer wieder sagt er, dass sie ihm egal sind. Aber er unterstützt die Mexikaner in ihrem Kampf gegen die Franzosen, nicht aus Solidarität, oder Mitgefühl, sondern einzig um sein Westernleben damit finanzieren zu können.

 

Es stellt sich heraus, dass er im Auftrag einer mexikanischen Guerilla-Einheit eine französische Garnison auskundschaften soll, damit diese anschließend von den Mexikanern gestürmt werden kann. Und es stellt sich heraus, dass Sara diese Garnison bestens kennt. So gut, dass Hogan alle wichtigen Informationen von ihr erhält, und sie gar nicht mehr persönlich in Augenschein nehmen muss. Sie haben jetzt ein gemeinsames Ziel. Für Hogan ist sie jetzt kein Ballast mehr, sondern Partnerin geworden. Partnerin auf Zeit, noch.

 

Um die Franzosen zu schwächen will Hogan eine Brücke sprengen, was zum Schluss auch gelingt. Aber vorher kommen plötzlich völlig unvermittelt Indianer ins Spiel, in deren Hinterhalt die beiden geraten. Das ist auch nötig, weil sonst der Film langweilig werden würde, wenn auch die Episode an sich völlig sinnfrei ist. Hogan wird von einem Pfeil getroffen, Sara verjagt mit ihrer christlichen Nonnenmagie die Indianer und muss anschließend den Pfeil aus Hogans Schulter entfernen. Hogan ist tapfer und männlich, und Sara ist mutig und tatkräftig. Helden sind sie inzwischen alle beide.

 

Man könnte hier noch viel mehr Details anführen, um den Charakter des Films zu beleuchten. Aber eigentlich reicht das schon. Der Rest der zweiteiligen Geschichte ist schnell erzählt. Die Brücke wird gesprengt, die Franzosen werden geschwächt. Ihr Fort wird von den Mexikanern dank der aktiven Unterstützung und strategischen Hilfe von Hogan eingenommen. Der findet zum Schluss sogar den Kriegsschatz der Franzosen, so dass sich für ihn das ganze Abenteuer auch finanziell gelohnt hat. Doch auch die Pärchengeschichte wird aufgelöst. Denn Sara hat die Nonnentracht nur benutzt, um sich damit vor französischen Nachstellungen zu schützen. Tatsächlich, also in ihrem wirklichen Leben gehört sie zu einem typisch amerikanischen Freudenhaus in der Stadt des französischen Forts. Sie hat es also permanent mit französischen Offizieren zu tun, denen sie irgendetwas angetan hatte in ihrem Franzosenhass.

 

Und Hogan entdeckt natürlich am Jargon seiner Partnerin, ihren Gesten, ihren Entschlüssen, dass hinter der Nonnenverkleidung eine andere Geschichte steckt, aber er weiß noch nicht welche. Und er verliebt sich natürlich in sie, eine Zuneigung, die Sara erwidert.

 

Das Ganze endet in einem Happyend im Bordell. Es hat ja schon immer literarische Fantasie angeregt, dass sich in den reinen Sexgeschichten plötzlich wahre Liebe entwickelt. So lebensfremd ist das ja auch nicht. 

 

So lässt der Film seine amerikanischen Helden erstrahlen.

 

Um die Mexikaner geht es gar nicht. Kein einziger der mexikanischen Darsteller hat jemals die Chance sich als Persönlichkeit zu präsentieren. Die Mexikaner sind unwichtig. Sie lassen sich abschlachten, ihre Anführer sind schwächlich. Sie tragen große Hüte und sprechen spanisch. Umso ein französisches Fort einnehmen zu können, sind sie auf Amerikaner angewiesen, weil sie das alleine weder finanziell noch militärisch hinkriegen könnten.

 

Die helfenden Amerikaner sind Prostituierte und Revolverhelden, eigentlich unmoralische Gestalten, die aber selbst in diesen Rollen, den Mexikanern und natürlich auch den Franzosen überlegen sind. Zwar hilft Hogan nur des Geldes wegen, aber er hilft. Er verkörpert den amerikanischen Individualisten, der seinen eigenen Traum lebt, nebenbei der guten Sache dient, und zum Schluss, sich selber verwirklichend auch noch siegt. So sehen halt die amerikanische Helden  aus der Perspektive Hollywoods aus. In dieses Muster passt Sara perfekt. Ihr Bordsteinschwalbenwesen verklärt sich geradezu. Ihre Nonnenverkleidung führt in ein romantisches Abenteuer, das auch sie siegreich beendet. Allerdings repräsentiert sie dabei nicht das schwache Geschlecht, sondern zeigt deren Stärke. Beide Hogan und Sara scheinen wie füreinander geschaffen.

 

Und das macht den Sinn dieses Films aus. Er ist für die Amerikaner gemacht worden. Er verklärt deren Ideale und Selbstverständnisse. Er bedient ihre Binnensicht auf sich selbst. Er informiert nicht, er bildet schon gar nicht. Seine Wirksamkeit ergibt sich eben nicht aus der reinen Unterhaltung eines Westerns, sondern er vermittelt Glückshormone, weil das Gute zum Schluss siegt, weil die individuelle Stärke der amerikanischen Lebensweise selbst in Gestalt von Revolverhelden und dem horizontalen Gewerbe, seine Überlegenheit über andere Lebensweisen, in diesem Fall der mexikanischen unter Beweis stellt. Dieser Art von Selbstverständnis begegnen wir ja durchaus auch in anderen amerikanischen Kunstwerken.

 

Realistisch ist der Film nicht. Aber das muss er auch gar nicht. Er ist amerikanisch. Und wir sehen ihn gerne, weil auch wir anfällig sind für die amerikanischen Ideale, weil auch wir uns mit ihnen identifizieren, weil auch wir Schutz, Überlegenheit und individuelle Stärke suchen. Nicht umsonst lässt sich so ein Film selbst auf Flohmärkten immer noch verkaufen.