Die Erben der Vertreibung von Ralf Pasch
Lesart „Kurz & kritisch“ Kurzrezension für Deutschlandradio 14. Mai 2014
Ralf Pasch
Die Erben der Vertreibung
Sudetendeutsche und Tschechen heute
Mitteldeutscher Verlag Halle, März 2014
192 Seiten, 14,95 Euro
Seit dem Eintritt von Tschechien in die Europäische Union ist es ruhiger geworden um die Sudetendeutschen Landsmannschaften. Doch es gibt sie weiterhin. Und es gibt darüber hinaus viele Menschen, die bis heute von der Vertreibung der Sudetendeutschen nach 1945 betroffen sind, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Tschechien und in Österreich, nicht nur als Nachfahren der ehemals Vertriebenen, sondern auch der Tschechen, die heute dort leben. Und sie geben neue, interessante, ja z.T. verheißungsvolle Antworten auf die Folgen dieser Vertreibung heute. Ralf Pasch, der 67 in Thüringen geborene Journalist, hat sich die Mühe gemacht und 15 Einzelgeschichten geschrieben, die in Deutschland, Tschechien und Österreich spielen. Da ist nicht mehr viel zu spüren von Trauer und Verlust, sondern von Neugier und Verständnis für einander, einem Händereichen über die ehemaligen Grenze zwischen Deutschland und Tschechen hinweg, einem Versuch die Zukunft gemeinsam zu gestalten, ohne die eigene Geschichte zu verdrängen, aber auch ohne in die aggressiven Reflexe von früher zu verfallen. Es gibt gemeinsame Jugendcamps, organisiert von Sudetendeutschen und Tschechen gemeinsam organisiert. Es gibt Antikomplex und Brontosaurus, zwei tschechische Organisationen, die die tschechisch deutsche Geschichte in Tschechien wieder sichtbar machen und damit ihren Mitbürgern die Augen öffnen. Es gibt Leute wie Ulrich Micksch in Deutschland, dessen Großeltern als Vertriebene 1946 in die sowjetische Besatzungszone, der späteren DDR kamen, wo die Vertriebenen sich nicht organisieren durften. Und wenn Micksch sich heute zu seiner Familiengeschichte von Vertreibung und Verlust bekennt, dann hat das auch etwas mit Trauerarbeit zu tun, die sich noch immer nicht erledigt hat, aber vor der niemand mehr Angst haben muss. Die Tschechen nicht, und wir schon gar nicht.