Buchbesprechung

Frank-Lothar Kroll: Totalitäre Profile

 

Frank-Lothar Kroll

 

Totalitäre Profile - Zur Ideologie des Nationalsozialismus und zum Widerstandspotential seiner Gegner

 

be.bra Wissenschaft Verlag

 

Berlin , 2017, Leinen, gebunden, 459 Seiten

Schlaglichter ersetzen keine Gesamtdarstellung

Der Titel verspricht mehr, als das Buch selber halten kann. Während die ›totalitären Profile‹ von Hitler und weiterer NS-Größen erhellend beschrieben werden, wirkt die Beschreibung des ›Widerstandspotentials seiner Gegner‹ dürftig und lückenhaft. Das hat mit der Grundanlage des Buches zu tun, welches nicht als Gesamtwerk konzipiert wurde, sondern viele Einzelbeiträge des Autors, die in den letzten zwanzig Jahren zu verschiedensten Gelegenheiten geschrieben wurde, erstmalig zusammenfügt, und ihnen den gemeinsamen Titel gibt. Insbesondere bei der Schilderung widerständiger Haltungen ist es dem Autor nicht gelungen, seinen durchaus interessanten Einzelbeiträgen mit ihrer Zusammenfassung in einem Buch eine Form zu geben, die diese Beiträge zum Strahlen bringen könnten.

Während im Buchtitel explizit die nationalsozialistische Ideologie thematisiert wird, nimmt der Autor auch die kommunistische Ideologie in den Blick, allerdings ohne in eine gleiche Tiefe zu gehen. Immerhin benennt und belegt der Autor die Wesensverwandtschaft, ja Wesensgleichheit beider Ideologien. Das ist für die deutsche Geisteswissenschaft durchaus nicht selbstverständlich, aber notwendig, um das Wesen der totalitären Versuchung zu erkennen, der sowohl die Anhänger des Nationalsozialismus als auch des kommunistischen Bolschewismus in die Netze gegangen sind. Kroll macht hierfür die Heils- oder Paradiesversprechungen beider Ideologien verantwortlich. Das sind bei beiden Ideologien die jeweils versprochenen Endlösungen, also die Erlösung von all unseren existentiellen Problemen, welche sich beim Nationalsozialismus aus der Niederlage im 1. Weltkrieg und den daraus folgenden nationalen Demütigungen ergaben, und beim Kommunismus aus einer Kette von Ausbeutergesellschaften, die die jeweils Werktätigen, also eigentlich die Werte schaffenden Arbeiter um ihre Rechte betrügt und dauerhaft unterdrückt. Die jeweils versprochenen Endlösungen strahlen dabei so hell, dass die Anhänger bereit sind, für ihre Erreichung Diktatur und Unrecht in Kauf zu nehmen.

Es gelingt Kroll überzeugend die Zusammenhänge von ideologischem Denken und dem politischen Handeln zu belegen. Er widerspricht vehement der Auffassung, dass die Ideologie quasi nur ein Instrument in seiner Strategie der Machtergreifung gewesen sei. Nein, Hitler habe geglaubt, was er sagte, und es ist zu vermuten, dass seine Anhänger ihm hierin massenhaft gefolgt seien.

Gerade hier wäre es interessant gewesen, zu erfahren, was den Kern des der NS-Diktatur widerstehenden Potentials ausgemacht hat. Doch diese Frage beantwortet Kroll gar nicht. Stattdessen nimmt er einige Biographien von Nazigrößen in den Blick, die sich von Hitler abgewandt und dem Widerstand vom 20. Juli angeschlossen hatten. So beleuchtet Kroll den Berliner Polizeipräsidenten von Helldorf, der sich als überzeugter Nazi an der Judenvernichtung aktiv beteiligt hatte, und dennoch Stauffenbergs Attentatspläne unterstützte. So interessant die Schilderung von Helldorfs ist, seine Kriegserfahrung, seine daraus geborenen ›sozialistischen‹ Gemeinschaftsvorstellungen, die er beim Kanzler Hitler nicht mehr wiederfindet, so sehr stößt den Leser hinfort die Einseitigkeit von Krolls Schilderungen des Widerstandspotentials gegen den Nationalsozialismus auf. Er bleibt hier dem konservativen Milieu verhaftet, beleuchtet einzig Persönlichkeiten in der Nachbarschaft der ›konservativen Revolution‹. Der sozialdemokratische, ganz zu schweigen vom kommunistischem Widerstand wird kaum einmal erwähnt, christlicher Widerstand á la Bonhoeffer wird nicht ansatzweise analysiert, demgegenüber aber mehrfach Widerstand mit katholischem Hintergrund beleuchtet. Dabei gelingt es Kroll durchaus, Leute wie Werner Bergengruen, als Beispiel für ›Innere Emigration‹ anschaulich zu schildern und dem Leser nahezubringen. Doch gerade hier werden mehr Fragen aufgeworfen, als Antworten gegeben.

Werner Bergengrün war ein Schriftsteller, der sich mit den Nazis nie eingelassen hat, aber Deutschland nicht verlassen wollte. Er gehörte anfangs nicht zu den von den Nazis verfolgten Künstlern. Das änderte sich sukzessive bis hin zum Berufsverbot, und Bergengrün wurde insbesondere in seiner Lyrik auch in seiner Auseinandersetzung mit den Nazis immer deutlicher. Aber er wird in seinen politischen Einstellungen immer pessimistischer. Das ist vielleicht nicht verwunderlich bei einem Menschen, der sich letztlich aus der Politik zurückzuhalten versuchte, für den also die Politik immer nur von anderen gemacht wird.

Ein bisschen liest sich dieser Teil des Buches wie ein Plädoyer für die inneren ›Emigranten‹. Natürlich ist Thomas Mann nicht zuzustimmen, wie Kroll richtig anmerkt. Innere Emigration alleine ist noch kein Grund, deren Kunst zu verwerfen. Aber damit bleibt sie doch unbefriedigend als Antwort auf die Herausforderung von Diktatur und Unrecht. Im Gegenteil, dieser Teil an Fragen, die das Buch aufwirft, ohne sie zu ausdrücklich zu benennen, geschweige denn ihnen nachzugehen, bleibt völlig offen. Und es fragt sich, ob es dafür eines solchen Buches gebraucht hat.

Diese Besprechung ist für das Extremismusjahrbuch 2018 bestimmt und parrallel in globkult veröffentlicht worden.