Susanne Schmidt: „Das Gesetz der Krise“

Susanne Schmidt

Das Gesetz der Krise

Wie die Banken die Politik regieren

Droemer Knaur Verlag, München 1. Okt. 2012

240 Seiten, 19,99 Euro, ebook 17,99 Euro

rezensiert von Stephan Hilsberg

Der Buchtitel ist wohl gewählt. Denn die Autorin beschreibt die Logik, welche die Bankenkrise entstehen ließ, und die Logik, mit der sie wieder beendet werden könnte. Über diese Krise gibt es viele Bücher. Das besondere an Susanne Schmidts Buch ist seine Praktikabilität. Es ist kurz, prägnant und schlüssig.

Dabei spricht die promovierte Nationalökonomin, die mitten aus dem internationalen Finanzsystem kommt, locker eine Reihe schmerzhafter Wahrheiten aus. Im Fokus ihrer Analyse steht das Bankenversagen, verbunden mit einer Portion diabolischer Cleverness der Branche.

"Den Ausdruck Euro-Krise haben sich die Banker vor zweieinhalb Jahren ausgedacht, um davon abzulenken, dass es bei Ausbruch der Griechenlandkrise um ihre eigene Existenz ging."

 Na klar, so konnten die Banken der Politik den schwarzen Peter zuschieben, und sich selbst als Opfer gerieren.

"Es fehlt den global agierenden Instituten nach wie vor am Bewusstsein für verantwortungsvolles Handeln. Sie nutzen weiterhin jede Möglichkeit den status quo aufrechtzuerhalten, nämlich Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, das heißt den moral hazard so dick und fett und breit im System zu erhalten wie nur möglich."

Damit hat sie in der Tat das Bankenverhalten auf den Punkt gebracht. Während die westlichen Industriestaaten in der Stunde der Gefahr dieses Finanzsystem mit dreistelligen Milliardenbeträgen stützen mussten, habe beispielsweise die schweizerische UBS zum gleichen Zeitpunkt

" … beinahe 90% ihrer gesamten Erträge – Erträge, nicht etwa Gewinne – aus dem Investmentbanking in den Bonustopf gestellt. Sonst liefen einem ja die guten Leute weg, heißt es zur Begründung."

 Der Exbankerin Susanne Schmidt kommt …

„.. die Neuregulierung des Banken- und Finanzsystems zu langsam voran“.

 Weshalb sie der Politik und insbesondere den Aufsichtsbehörden vorwirft …

" … dass sie die globale Vernetzung von Banken, Investmentfonds, Hedgefonds, Finanzgeschäften und Finanzmärkten aller Art weder in ihrer Komplexität noch vor dem Hintergrund globaler makroökonomischer Gleichgewichte ausreichend wahrgenommen und durchdringen haben.

Dieses Unverständnis verbunden mit der Furcht, der eigene Finanzplatz könnte in Mitleidenschaft gezogen werden, führt dazu, dass sie lieber an Symptomen herumdoktern, statt radikal die systemischen Probleme anzugehen.

Allerdings ist es an der Zeit, laut die Frage zu stellen, ob es nicht doch besser sei, regional mit Regulierungsmaßnahmen voranzuschreiten, statt bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf eine internationale Einigung zu warten."

Damit nimmt sie schon fast linke Positionen ein. Als Frau vom Fach kommt sie gleich auf ein weiteres, sehr wesentliches Detail zu sprechen, auf das Schattenbankensystem, in welchem inzwischen fast ein Viertel aller Geschäfte abgewickelt werden, ohne dass diese von der staatlichen Aufsicht kontrolliert werden.

"Es ist unerträglich, dass sich die Aufsichtsbehörden bisher kaum dieses Phänomens angenommen haben und den Risikotransfer weg von den regulierten Banken- hin zum unregulierten Schattenbankensystem in solcher Weise vernachlässigen. Die Regulierung des Schattenbankensystems ist dringend geboten." 

Dem kann man nur zustimmen, genauso wie der Forderung, dass die sogenannte Kernkapitalquote abgeschafft wird. Dies bezeichnet eine Sonderstellung der Banken gegenüber der Realwirtschaft. Die Banken dürfen nämlich immer noch ihr Eigenkapital selber gewichten; risikoarme Einlagen zählen mehr als riskante.

So logisch sich das anhört, hat sich dies doch als Falle erwiesen - an jenem Tag nämlich, als sich Wertpapiere vermeintlich hoher Bonität als faul erwiesen, abgeschrieben werden mussten und so weltweit Banken in den Keller zogen. 

Natürlich geht Schmidt auf Griechenland ein, auch auf die Forderung, dieses Land aus der Euro-Zone zu schmeißen. Sie belegt eindrücklich, was uns die Folgen eines solchen Schritts kosten würden. Wer das einmal verstanden hat, weiß, dass dieser Weg nicht gangbar ist. Deshalb müssen die Griechen natürlich sparen, aber leider würden sie kaputtgespart. Die EU überspannt den Bogen, und die Menschen leiden umsonst. Und dafür ist die Bundeskanzlerin verantwortlich, meint Susanne Schmidt.

Sie rundet ihr Buch durch eine Reihe von Lösungsvorschläge ab, die wahrscheinlich nicht alle aufgegriffen werden, aber ihre Gültigkeit noch in 10 Jahren behalten werden. Manchmal verfällt sie in einen populistischen Ton, doch unterm Strich bleibt: Susanne Schmidt verbindet gekonnt konstruktive Kritik mit einer großen Portion Optimismus, genau die Mischung, mit der unsere Finanzmarktprobleme lösbar sein müssten.