Mihaly ist auf einer Reise in sich selber. 

 

Seine Jugend erscheint ihm um so vieles attraktiver zu sein, dass er seine jungvermählte Frau verlässt, um den unerfülten Sehnsüchten seiner Vergangenheit zu folgen. Zwar hatte er sich zu einem Bruch mit ihr entschieden. Aber die Realität, selbst geschaffen von ihm, angepasst an bürgerliche Konventionen, doch auch an Wohlstand, an Verantwortung, an Arbeit, sie verblasst, vor den Verheissungen und Träumen seiner Jugend. 

 

Todessehnsüchte, Liebe, Freundschaften, Religion und Wissenschaft; alles wird noch einmal durchstreift. Doch bis auf die Liebe zu Eva, ist das nicht Seines. Und Eva will ihn nicht. Es sind die unerfüllten Sehnsüchte seiner Jugend. Er hatte sich schon gegen sie entschieden. Er begibt sich wieder in sie hinein. Die alten Figuren seiner Jugend, so sie noch leben, sie sind sich treu geblieben. Er taucht in seine alten Geschichten ein, seine alten Begegnungen, seine alten Gefühle. Es ist Nostalgie, die ihn treibt, ohne das ihm das bewusst ist. 

 

Aber seine Existenz selbst, die überlebt. 

 

Er hat sich in seiner Jugend schon einmal gegen den Tod entschieden, den sein bester Jugendfreund für sich gewählt hat. Tamas hatte ihn gebeten, ihn auf dem Weg in den Tod zu begleiten. Und schwach wie Mihaly war und wie er überhaupt die ganze Zeit erscheint, widerstand er nicht. Aber er hielt sein Versprechen nicht. Und rettete so sich selbst und Tamas vor dem Tod. Doch die Todessehnsucht hielt Antal schon viel zu sehr gefangen. Tamas geht später in den Tod, Jahre später. Da ist die Jugend schon vorbei. Da sind die Jugendfreunde schon auseinandergegangen, da geht jeder schon seinen Weg. Aber Tamas und Eva sind Geschwister. Und sie bleiben zusammen. Und Eva begleitet ihren Bruder auf seinem Weg in den Tod. 

 

Jugend hat etwas Magisches an sich. Die eigenen Schritte, das selbständige Leben, das Ausprobieren, das doch schon reales Leben ist, also Ernst. Das Changieren zwischen Ausprobieren und realem Leben, wo man eigentlich nichts ausprobieren kann, denn alles was man tut ist immer auch endgültig und nicht wieder auszulöschen. Alles das bestimmt dieses Buch. Es ist ein Buch für Nachtstunden, in denen man nicht schlafen kann oder schlafen will. Es ist ein Buch für Stunden, die man wie die Jugend einfach für sich verlebt, ohne den Verpflichtungen und dem vermaledeiten Ehrgeiz zu folgen, die das Leben sonst bestimmen. 

 

Es ist ein schönes, sehr elegantes Buch. Sein Autor, Antal Szerb ist ein zum Katholizismus übergetretener ungarischer Jude, ausgesprochen gebildet und belesen und berühmt in seiner Heimat für seine Literaturgeschichte. Er wurde ein Opfer des nationalsozialistischen Antisemitismus, offenbar in seiner ungarischen Spielart. Er wurde totgeschlagen in einem ungarischen Arbeitslager 1944. Wo man auch hinguckt, überall stosse ich auf die schwarzen Schatten unserer gruseligen Vergangenheit, die andere am liebsten wieder auferstehen lassen wollen. 

 

Das Buch ist im Grund sehr katholisch, mit dieser herben, an Zumutung grenzenden Bejahung des Lebens. Doch gerade hier, angesichts der Todessehnsüchte,wird einem klar, wie viel Wert eine Religion der Bejahung des Lebens ist. Auch wenn diese Bejahung einem manchmal eher wie die Befolgung eines Gehorsamsgebots vorkommt. Es endet mit dem Satz: "Und solange man lebt, weiss man nicht, was noch geschehen kann."

 

 

Ja, das Buch ist ein eloquenter, gebildeter, und eleganter Ausflug in die Romantik des eigenen Lebens, um zum Schluss wieder in die Bahnen des realen Lebens zurückzukehren. Nicht die schlechteste Wahl. Was haben wir sonst, ausser unserem Leben?