Die Zentralisierung des bundesdeutschen Schulsystems löst keines seiner Probleme

In unseren Schulen liegt vieles im Argen. Engagierte Lehrer können sich zuwenig entfalten. Schulautonomie wird für die staatlichen Schulen immer mehr zu einem Fremdwort. Die Schulpolitik begnügt sich mit symbolischen Zielen. Die Schulen bleiben bei ihrer Integrationsaufgabe unter ihren Möglichkeiten. Manche Gymnasiem transportieren ihr elitäres Selbstbewußtsein stärker zu ihren Schülern, als deren Persönlichkeiten zu entwickeln. Viele Eltern delegieren ihre Erziehungsaufgaben an überforderte Schulen. Manche Eltern verhelfen ihrem Schützlingen erst durch den Gang zum Rechtsanwalt zu den erwarteten schulischen Bewertungen anstatt sich mit den Leistungen ihrer Kinder auseinanderzusetzen. Diese Bestandsaufnahme ließe sich fortsetzen. Und sie erklärt das allgemeine Unbehagen an den Schulen.  
Viele Eltern beklagen sich zudem über die unterschiedlichen Schulsystem in den Ländern, welche zum Teil erhebliche Probleme für ihre schulpflichtigen Kinder beim Schulwechsel zur Folge haben. Das ist richtig, aber nicht die Ursache der vielen Mängel, die in unserem Schulsystem diagnostiziert werden können. Und deshalb ist es notwendig, sich mit dem verstärkt aufkommenden Ruf nach einer Zentralisierung unseres Schulsystems auseinanderzusetzen. Viele Leute scheinen zu glauben, dass mit einer Zentralisierung, wie mit einem Zauberstab schlagartig alle schulischen Probleme in Deutschland gelöst wären. Ein einziger Blick auf Frankreich, das ein zentralisiertes Schulsystem hat, könnte zeigen, mit welchen Problemen von Desintegration, falscher Elitenförderung, und der Schaffung sozialer Unterschiede man es auch in zentralisierten Schulsystemen zu tun haben kann.
Wer angesichts tatsächlich vorhandener, großer Mängel in unseren Schulen nach deren Zentralisierung ruft, der gleicht einem Wasserbauer, der vor einem verdreckten Fluß steht, den er durch Begradigung zu säubern versucht. Kurz, wer die Zentralisierung will, steht in der großen Gefahr das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Keines unserer Schulprobleme wird mit einem einzigen, bundesdeutschen Schulminister oder Ministerin gelöst. Es entstünden Nachteile. So würde das Schulsystem unflexibel. Und es entfernte sich von den Menschen und ihren heimatlichen Regionen, deren Mentalitäten, kulturellen Hintergründen und kulturellen Werten es doch gerade Rechnung tragen sollte. Hinzu kommt, dass nur weniges an unserer Schullandschaft noch unrealistischer ist, als ihre Zentralisierung. Denn die Bildung ist faktisch die einzige Kernkompetenz, über die unsere Länder tatsächlich verfügen. Gerade die Großen unter ihnen, wie Nordrhein-Westfalen oder Bayern oder die Länder mit einer starken Tradition wie die Hansestadtstaaten Bremen und Hamburg, würden sich ihre Schulkompetenzen niemals aus der Hand nehmen lassen. Das muß man den Menschen sagen, die heute schon mehrheitlich ein zentrales Schulsystem wollen. Wenn aber heute manche Politiker unterschiedlichster Färbung immer lauter nach einer Zentralisierung rufen, so ist das nicht nur ein Zeichen von Populismus, der die Wähler nicht ernst nimmt, sondern es lenkt ab, von den eigentlichen Aufgaben für unsere Schulen ab, um die man sich dann ja nicht mehr zu kümmern braucht.
Politik beginnt mit dem Sagen was ist. Wer also sagt, was nicht ist, der führt die Menschen bewußt aufs Glatteis, er „verarscht“ sie, wie der Volksmund sagt. Eine echte Ursachenforschung der Probleme unserer Schulen hingegen ist harte, aber lohnenswerte Arbeit. Nur auf diesem Weg kann man die Situation an den Schulen verbessern. Und nur so kann man populistische Forderungen wie die nach einer Zentralisierung unserer Schulen ins Lehre laufen lassen.