Mahnmal für die Opfer des Kommunismus in Deutschland
Einleitungsreferat einer Podiumsdiskussion am 19.11.13 in der Mauergedenkstätte
Vielen Dank, dass Sie alle so zahlreich gekommen sind. Wir freuen uns auf eine interessante und bereichernde Diskussion. Eine Diskussion, die uns vielleicht neue Erkenntnisse bringt, und von der wir auch nach ihr noch etwas haben.
Auf dem Einladungsflyer zu unserer Podiumsdiskussion sehen Sie eine Gruppe Häftlinge in Schwerstarbeit. Diese Grafik stammt von Wilhelm Sprick, der als 16 oder 17-jähriger 1945 vom NKWD wegen reiner Verdächtigungen verhaftet wurde, und erst 1950 freikam. Er blieb in der DDR. Doch diese verwehrte ihm sein hier 1952 aufgenommenes Kunststudium zu Ende zu bringen. Und so war es kein Zufall, dass er seine erste Ausstellung als Bildender Künstler erst 1991 durchführen konnte. Seine Häftlingsgruppe ist ein typisches Bild aus den 40-ger und 50-ger Jahren. So etwas gab es, zumindest in der DDR, danach nicht mehr zu sehen. Unverkennbar hat der Kommunismus sein Gesicht geändert. Doch die Repressalien und die Unterdrückung, die der Kommunismus produzierte, hielten an.
Und diese Geschichte des Kommunismus spiegelt auch die Mauer wieder. Sie hat viele seiner Opfer produziert. Doch auch die Mauer hat sich in den 28 Jahren ihrer Existenz sehr geändert. Mal hatte sie Hunde, mal hatte sie Panzersperren, mal gab es Wälle, ganz viel Stacheldraht, an manchen Orten lagen vielleicht sogar Minen. Am Schluss in den achtziger Jahren hatte sie dies alles nicht mehr. Sie sah fast kärglich aus, angesichts ihrer Leere zwischen den beiden Betonmauern. Langweilig. Und doch war sie in ihrer Effektivität vielleicht noch tödlicher geworden als in den 60 – ger Jahren.
Mich persönlich verbindet ja mit dieser Straßenkreuzung, an der wir uns in diesen Räumlichkeiten befinden, eine lange Lebensperiode an Erinnerung. Ich bin als gelernter Ostdeutscher jenseits der Mauer, auf deren ehemals westlicher Seite wir uns hier befinden, in Sichtweite dieses Ortes, vielleicht 700 m von hier aufgewachsen. Wir waren 1962 dort hingezogen. Unsere Wohnung lag im 2. Stock. Damals waren die Zerstörungsspuren des 2. Weltkrieges noch allgegenwärtig und nicht überbaut wie heute, und ich konnte also von hier rüber über die Mauer an dieser Stelle sehen, vom Morgen bis zum Abend, sah die Westberliner Busse hier fahren, die S-Bahn, die erst unter unserem Haus hindurchfuhr, um eine Minute später jenseits der Mauer aus dem Tunnel aufzutauchen. Und ich sah Weihnachten und Neujahr von dort aus, hier hinter uns in Lazarus die Kerzen stehen. Als Berliner ging mir die Absurdität dieses Bauwerks in Leib und Blut über, so sehr, dass sie zu etwas ganz alltäglichem wurde.
Heute gibt es hier diese Gedenkstätte, und das ist gut so, möchte man als Berliner sagen. Es ist nicht der einzige Ort, der an die Berliner Mauer erinnert. Und es ist nicht der einzige Gedenkort, der an die DDR, ihre Diktatur und ihre Opfer erinnert. Ich will sie alle gar nicht einzeln aufführen, die wir in Berlin haben, die an die Opfer des Aufstandes vom 17.Juni, die an einzelne Opfer der Mauer, die an die Opfer der Teilung erinnern. Zu erinnern ist auch an Sachsenhausen, 30 km von hier, wo auf dem Gelände des ehemaligen KZ’s die russische Besatzungsmacht eines ihrer gefürchteten Internierungslager errichtet hatte, und wo heute eine wichtige Gedenkstätte ist. Die Zahl solcher Gedenkorte ist groß, nicht nur in Berlin, sondern in ganz Ostdeutschland. Die Stiftung Aufarbeitung hat verdienstvoller Weise eine ganzes Buch den einzelnen Gedenkorten und historischen Orten gewidmet, als Nachschlagewerke und geradezu enzyklopädisches Werk für Orte der Aufarbeitung sogar unverzichtbar.
Doch soviel wir an solchen Erinnerungsorten haben, so unübersichtlich sind sie auch, und so unvollständig.
Die meisten dieser Erinnerungsorte und Gedenkstätten sind spezifischen Unrechtsmerkmalen der kommunistischen DDR bzw. SBZ und ihren Opfern gewidmet. Wir brauchen Sie, die Seestr., das Brandenburger Tor, die Bernauer Str., die Leipziger Str., wir brauchen Sachsenhausen und Mühlberg, Ketschendorf, und den Check Point Charlie, wir brauchen Brandenburg und Bautzen, Chemnitz, Hoheneck und Cottbus, Point Alpha, Torgau und wie sie alle heißten mögen. Es waren Orte des Grauens und Entsetzens, und an nicht wenigen sind auch die Toten be- manche nur vergraben, die der Kommunismus in Deutschland produziert hat.
Doch das ganze Kaleidoskop des vom Kommunismus in Deutschland produzierten Unrechts bilden diese Gedenkorte nicht ab. Was ist z.B. mit einem Gedenkort für die verfolgten Frauen nach 1945? Was ist mit den Opfern der Zersetzung des DDR-Staatssicherheitsdienstes? Was ist mit den Opfern der Zwangsvereinigung von KPD und SPD und SED? Was ist mit den Opfern in den sogenannten bürgerlichen demokratischen Parteien, die sich der Gleichschaltung in der Nationalen Front versuchten zu erwehren? Was ist mit den zwangsadoptierten Kindern, und deren Eltern? Welchen Ort haben sie? Was ist mit den Spitzensportlern der DDR, deren Westverwandtschaft eine Spitzenkarriere verhinderte? Was ist mit den Dopingopfern? Was ist mit den Opfern von Bildungsdiskriminierung, der beruflichen Diskriminierung oder gar den Berufsverboten? Was ist mit den Zwangsausgesiedelten, die über Nacht, Heimat, Hab und Gut verloren? Was ist mit den Bauern, die Opfer der Zwangskollektivierung wurden? Was ist mit den Lehrern und Akademikern, die sich den Maulkörben von SED und DDR widersetzten? Was ist mit den zwangsenteigneten Gewerbetreibenden? Was ist mit den Soldaten, die in Schwedt saßen? Was ist mit den Grenzern, die sich weigerten zu schießen? Und was gibt es für die vielen Millionen, die aus der DDR geflüchtet sind, wohl freiwillig, aber doch unter Druck, und dem Zurücklassen ihrer Heimat, Freunde nicht selten ihren nächsten Angehörigen?
Diese Liste ist lang, und sie ließe sich verlängern.
So verdienstvoll und liebevoll die einzelnen Gedenkorte für die Opfer des Kommunismus in Deutschland betrieben und geführt werden, so unvollständig bleiben sie. Und es ist zu befürchten, dass derjenige, der versucht, das Spektrum der Gedenkstätten in Deutschland dem Spektrum des Unrechts der kommunistischen Herrschaft in Deutschland anzupassen, scheitern wird, wie Sysisphos. Nur den Existentialisten unter uns mag es eine Befriedigung sein, ständig neu anzufangen, und nicht daran zu verzweifeln, dass das Ende ihrer Arbeit niemals erreicht sein kann.
Dieser Umstand der Unvollständigkeit der vorhandenen Gedenkorte für das Unrecht und seine jeweils spezifischen Opfer ist einer der Hintergründe für den Ruf nach einem, in gewisser Weise zentralen Gedenkort für die Opfer des Kommunismus in Deutschland.
Natürlich gab es sofort Bedenken dagegen.
Ich will sie gar nicht schlechtmachen. Das gehört zur Natur der Sache. Und in einer offenen, demokratischen und dem Anspruch nach aufgeklärten Gesellschaft, - wobei ich Zweifel daran anmelde, ob wir so etwas schon haben – sind solche Bedenken nicht nur ernst zu nehmen, Anlass der Überprüfung. Sie sind vor allem fruchtbar zu machen.
Die Bedenken sprechen von einer Konkurrenz der Gedenkstätten für dir Opfer des Kommunismus in Deutschland.
Was aber spräche gegen ein Mahnmal für die Opfer des Kommunismus, mit dem sich alle Opfer identifizieren könnten? Ein Mahnmal, das das Unrecht, welches der Kommunismus produziert hat, im Allgemeinen zur Sprache bringt? Ein solches Mahnmal käme nicht in Konkurrenz zu den vorhandenen Gedenkorten, und Gedenkstätten. Es würde sie komplettieren.
Die einzelnen Gedenkstätten behalten ihren Sinn und ihre Funktion, sie werden nicht obsolet. Das Furchtbare, die Alptraumhaftigkeit der Berliner Mauer, die hier zur Normalität des geteilten Berlin verzerrt war, lässt sich nirgends besser dokumentieren als in der Bernauer Str. selbst. Oder aber am Check Point Charlie, wobei der schon wieder einen etwas anderen Charakter hat, weil es hier nicht nur um die Mauer, sondern den Grenzübergang vom amerikanischen zum sowjetischen Sektor geht, der auf ganz eigene Weise Zeugnis vom Kalten Krieg und den Spannungen um Berlin ablegt. Doch auch das ist wichtig, hängt mit dem Kommunismus in Deutschland zusammen, und auch hier sind Menschen ums Leben gekommen.
Die Opfer des Aufstandes vom 17. Juni 1953, die in der Seestr. bestattet sind, assoziieren wir für immer mit ihrer Sehnsucht nach Freiheit, ihrem Mut, und ihrer Tapferkeit. Dafür ehren wir sie. Das wird bleiben.
Die Toten in den Internierungslagern der sowjetischen Besatzungsmacht gedenken wir in Sachsenhausen, in Buchenwald, in Mühlberg. Es ist ihrer an die hunderttausend. Die größte Opfergruppe des Kommunismus in Deutschland, die mit ihrem Leben für ihn bezahlt hat.
Das wird bleiben.
Doch wir brauchen einen neuen Ort, der nicht mehr den Anspruch hat, für einzelne Opfergruppen zu sprechen, sondern der von den Opfern an sich spricht, der das gemeinsame Schicksal dieser Opfer hervorhebt, und für unsere Generation und die nachfolgenden zur Sprache bringt.
Diese Diskussion gibt es schon lange in Deutschland. Aber es gab sie noch nicht unmittelbar während der friedlichen Revolution oder in den ersten Jahren danach. Sie hängt mit der Historisierung der beiden deutschen Diktaturen zusammen, die trotz mancherlei Bemühungen sie auseinander zu halten, doch ständig Bezug auf einander genommen haben. Und im Rahmen dieser Historisierungen hat die Diskussion einzelner Opfergruppen eine ganz eigene Bedeutung bekommen.
Es ist deshalb kein Zufall, dass die UOKG, die Union der Opferverbände der Kommunistischen Gewaltherrschaft, sich dieses Themas angenommen hat. Die UOKG ist ein Dachverband der einzelnen Opferverbände. Und wenn sich auch nicht jeder Opferverband in ihr repräsentiert sieht, hat ihr Wort als Stimme der Opfer des Kommunismus doch erhebliches Gewicht.
Der Ruf nach einem Mahnmal für die Opfer des Kommunismus ist in diesen Opferverbänden entstanden. Es ist wichtig für die Öffentlichkeit dieses Anliegen zu verstehen. Und es wichtig für die Politik darauf eine adäquate Antwort zu finden.
Um den Diskussionsprozess für ein Mahnmal der Opfer des Kommunismus zu befördern, hat die UOKG eine Initiativgruppe für dieses Mahnmal geschaffen, in der sich sowohl Vertreter einzelner Verbände der UOKG als auch von ihr berufene Mitglieder befinden. Unsere heutige Podiumsdiskussion ist von dieser Initiativgruppe vorbereitet worden. Unser Ziel ist es, dass die Diskussion um das Mahnmal von der Öffentlichkeit und der Politik selbständig aufgenommen und weitergeführt wird. Denn nicht wir haben das zu entscheiden, sondern die dazu berufenen Gremien, denen, wie das nicht selten in der Politik der Fall ist, diese Aufgabe aber erst mal ins Bewusstsein rufen muss.
Es gibt, wie ich es sehe mehrere gewichtige Gründe für ein solches Mahnmal.
Den ersten Aspekt habe ich bereits angedeutet.
Die einzelnen Gedenkstätten und Gedenkorte, die an Unrecht, Unterdrückung und Opfer des Kommunismus erinnern, sind jeweils sinnvoll, aber unvollständig. Sie können nicht vervollständigt werden, weil das Spektrum der Unterdrückungsmaßnahmen zu differenziert ist, als dass etwa die Mauergedenkstätte, oder die Seestr., oder die einzelnen Haftanstalten, Zuchthäuser oder der Zentrale Jugendwerkhof in Torgau für alle Opfer des Kommunismus sprechen kann. Das kann auch die Neue Wache unter den Linden nicht mehr, deren Zweckbestimmung erstens ein Schnellschuss war, und zweitens heute nicht mehr aktuell ist.
Diesen Zweck wird auch das neue Einheits- und Freiheitsdenkmal nicht erfüllen können, weil in deren Mittelpunkt das letztlich erfolgreiche Bemühen zur Schaffung einer freien und offenen Gesellschaft auch im kommunistischen Osten Deutschlands steht, im Kontext zu den Freiheitstraditionen die es ja, wenn auch mit Unterbrechungen in unserem Land immer gegeben hat. Doch das Bemühen um Freiheit und den Kampf für eine Demokratie ist eben nicht kongruent mit dem erlittene Unrecht und der erfahrenen Unterdrückung, mit dem großem Leid, dass auch der Kommunismus in Deutschland zu verantworten hat.
Um dies ein wenig zu illustrieren hat sich die Initiativgruppe die Arbeit gemacht, in einer Broschüre die einzelnen Opfergruppen zu diagnostizieren, um die es bei den Opfern des Kommunismus insgesamt geht. Dabei wird dem Leser klar, dass deren Definition schwierig ist, dass die Opfergruppen manchmal nur schwer abzugrenzen sind, und dass nicht alles erlittene Leid auf das Konto des Kommunismus geht.
Was wir also brauchen ist ein generelles Mahnmal für die Opfer des Kommunismus, mit dem sich die Opfer identifizieren können, das erlittenes Unrecht und die erfahrene Unterdrückung zum Ausdruck bringt, welches also den Unrechtscharakter des Kommunismus zum Ausdruck bringt.
Dies führt zum nächsten Aspekt.
In Deutschland gibt es Kräfte, die nicht müde werden vor einer Gleichsetzung von Nationalsozialismus und Kommunismus zu warnen. Um es vorweg zu sagen, eine solche Gleichsetzung wäre töricht und unhistorisch. Wer in aufklärerischer Weise an die Geschichte geht, dem werden die Unterschiede wichtig, sogar wesentlich zur Bestimmung der beiden Diktaturen die Deutschland erlebt hat, sein und bleiben.
Aber um es mit Jesse zu sagen, Nicht-Gleichsetzen bedeutet nicht, sich vor Vergleichen zu hüten. Im Gegenteil, es ist sogar wichtig solche Vergleiche anzustellen. Doch hier ist nicht der Ort dafür. Ich will das nicht machen.
Wichtiger ist es mir, einen gewissen Bezug zu beleuchten, der im Rahmen der Historisierung der beiden Diktaturen zwischen beiden Diktaturen besteht.
Der historische Ablauf ist eindeutig. Es wird die Schmach Deutschlands bleiben, dass Hitler unter quasi demokratischen Bedingungen an die Macht gekommen ist. Seine Diktatur war furchtbar. Je länger sie existierte, desto mehr Tote produzierte sie. Der Holocaust, der im Namen Deutschlands an den Juden verbrochen wurde, hat biblische Ausmaße und er wird, solange unser Vorstellungsvermögen reicht, im Gedächtnis der Menschen bleiben. Der Krieg, der von den Nationalsozialisten geführt wurde, hat Tot und Verderben nicht nur über ganz Europa, ja große Teile unserer Erde gebracht, sondern auch über Deutschland selbst. Und obwohl das so war, erfreuten sich die Nationalsozialisten einer erheblichen Zustimmung im eigenen Volk. Dass dies aufgearbeitet werden muss, und dass diese Aufgabe nicht nur die auch unserer Generationen ist, braucht nicht diskutiert zu werden, ist eine Selbstverständlichkeit und wird so bleiben.
Die zweite Diktatur in Deutschland, die kommunistische hätte ohne die vorhergehende nationalsozialistische Diktatur keine Chance gehabt. Erst durch die Auflösung des deutschen Nationalstaats, die sowjetische, in diesem Fall ja stalinistische Besetzung der Ostzone, bekamen die Kommunisten von Deutschland die Chance ihre Vorstellung von Weltrevolution auch in einem Teil Deutschlands zu verwirklichen.
Und die Frage ist, wie legitim war das? Dass Deutschland geteilt wurde, hat es sich selbst zuzurechnen. Dass es besetzt wurde, auch. Aber das nach einer Diktatur gleich eine zweite folgte, auf das eine Unrecht gleich das nächste, auf den einen Unrechtsstaat der nächste, auf das eine totalitäre System das nächste, war das auch legitim?
Nun weiß ich, dass das eine rhetorische Frage ist. Aber sie erhellt doch den Stellenwert, den die kommunistische Diktatur in der Geschichte Deutschlands einnimmt. Denn sie ist eben nicht einfach eine Folge des Nationalsozialismus, sondern hat eine ganz eigene historische Bedeutung. Die kommunistische Diktatur muss als selbständig, von eigenem Rang wahrgenommen werden, wenn man ihr gerecht werden will. Sie ist nicht einfach nur eine Kriegsfolge wie die Teilung, sondern sie hat ihre eigenen Hintergründe, ihre eigene Geschichte, ihren eigenen Charakter.
Auch dieser will aufgearbeitet werden. Wer die Geschichte Deutschlands im letzten Jahrhundert verstehen will, die Diktaturen in Deutschland und die deutsche Teilung plus die anschließende Deutsche Einheit, kommt um eine eigene Betrachtung der Kommunismus in Deutschland nicht herum. Und das ist keine Frage der Kriegsfolgen alleine, sondern jener historischen Umstände, die zur Herausbildung einer kommunistischen Diktatur führten. Lenin und Stalin sind durch Hitler nicht erklärbar. Der Kommunismus ist keine Folge des Nationalsozialismus, wie auch Hitler keine Folge der kommunistischen Herrschaft in der Sowjetunion ist.
Ihre Diktaturen sind Produkte jeweils ganz eigener Ideologie, deren teuflischer Charme Sinnhaftigkeit vermittelt, und die eigene Bedeutung erhöht, ja geradezu verklärt. Marx, der die Religion als Opium für das Volk zutiefst verabscheute, war selbst ein großer Ideologieproduzent. Er, der als großer Gelehrter gilt und aus der deutschen Geistesgeschichte nicht wegzudenken ist, konnte auf dem Boden der Aufklärung agieren, und hat doch selber dazu beigetragen, dass der Aufklärung der Boden entzogen wurde.
In seinem Jahrhundert gab es eine große Debatte über die Abgründe demokratischer, selbstverwalteter Staaten, die übergeordnete Autoritäten ablehnten. Damals schon gab es Menschen, denen klar war, dass das demokratische Wahlrecht alleine einen demokratischen Rechtsstaat nicht absichern würde. Doch es gab keine Antworten darauf, wie solche Abgründe verhindert werden könnten.
Das können wir heute klarer sehen. Wir wissen, dass das Vorenthalten von Demokratie und Menschenrechten Unrecht ist. Schon deshalb muss die DDR als Unrechtsstaat eingestuft werden. Dieses Vorenthalten von Demokratie und Menschenrechten ist der Rubikon, der nicht überschritten werden darf; von keiner Ideologie von keiner politischen Kraft. Und damit sind wir bei dem nächsten Aspekt, um den es bei einem Mahnmal für die Opfer des Kommunismus geht: den Schutz der Demokratie vor diktatorischen Abgründen.
Unsere Demokratie ist nicht per se gefeit gegen ideologische oder totalitäre Gefahren. Auch die Erinnerung an schlimme Zeiten alleine ist keine Firewall dagegen. Erinnerungen können verklärt, umgedeutet werden. Es gibt keinen allumfassenden Schutz dagegen. Umso wichtiger ist es, Erinnerungsarbeit zu leisten, und die Aufarbeitung der diktatorischen Erfahrungen zu einem festen Bestandteil in unserer demokratischen Öffentlichkeit zu machen.
Die totalitäre Diktatur der Kommunisten in Deutschland hat im Namen ihres Traumes vom kommunistischen Paradies alle Menschen der Gesellschaft nach ihrer Elle gemessen. Sie hat ihnen nicht erlaubt, sie selbst zu sein, sondern sie hat bestimmt, was sie sind. Persönlichkeit und Würde, das Recht auf Selbstbestimmung im individueller wie in politischer Hinsicht, gerieten zur Marginalie auf dem Weg zum großen Ziel der Überwindung der Klassengesellschaft, der über die Diktatur des Proletariats führen würde. So haben ihnen die Kommunisten das Recht auf eigene Identität und persönliche Entfaltung nicht nur abgesprochen, sondern in der DDR auch tatsächlich genommen. Es mag Menschen gegeben haben, die innerlich damit einverstanden waren, weil ihr Bedürfnis nach Autorität, nach Ein- und Unterordnung in eine größere Idee, ja nach Größe und historischer Mission stärker war, als ihre individuelle Persönlichkeit und Reife. Sie alle mögen nach dem Ende des Kommunismus gelitten haben, durch ihre persönliche Enttäuschung, an der sie vielleicht auch heute noch kauen. Doch wirklich bezahlt haben die Menschen, denen der Kommunismus Perspektiven, Heimat, Kultur, Freunde, Familie, Gesundheit und leider auch nicht selten das Leben genommen hat.
In anderen Hauptstädten Ost- und Mitteleuropas gibt es bereits Mahnmale, die versuchen diese Zusammenhänge zur Sprache zu bringen. Geglückte, oder weniger geglückte. In Deutschland gibt es das noch nicht.
Manche meinen, dass ein solches Mahnmal eine europäische Angelegenheit sei. Ja, sicher hat der Kommunismus eine europäische Dimension. Doch darf diese Dimension nicht der Bemäntelung eigener Untätigkeit dienen.
Natürlich würde ein solches Mahnmal neue Möglichkeiten des öffentlichen Gedenkens an die Opfer des Kommunismus eröffnen. Deshalb muss es auch eingebunden sein in das Gedenkstättenkonzept des Bundes und der einzelnen Länder. Danach muss sich auch der Ort richten, an der es geschaffen werden kann. Die Neue Wache, oder ein neuer Platz in der Nähe vom Bundestag, dort wo inzwischen viele Erinnerungsorte ihren Platz gefunden haben, stehen zur Diskussion. Davon und von seiner Gestaltung wird sein Erfolg abhängen.
Ich freue mich auf die Diskussion unseres Podiums, wo diese einzelnen Aspekte, das Für und Wider diskutiert werden, einzelne Aspekte neu herausgehoben, bestätigt oder verworfen werden, um die Idee für ein Mahnmal für die Opfer des Kommunismus insgesamt zu befördern.