Aris/Heitmann - Via Knast in den Westen

Lesart „Kurz & kritisch“ Kurzrezension für Deutschlandradio 21.Dezember 2013

Clemens Heitmann, Nancy Aris (Hrsg.)

Via Knast in den Westen

Das Kaßberg-Gefängnis und seine Geschichte

Gebundene Ausgabe

ISBN: 9783374030101

Verlag: Evangelische Verlagsanstalt

Es handelt sich bei „Via Knast in den Westen“ nicht in erster Linie um ein Fluchtbuch, sondern ein Stück Aufarbeitung einer ganz spezifischen Gefängnisgeschichte: dem Knast im einstigen Chemnitzer Edelstadtbezirk Kaßberg. Hier kamen im dritten Reich Kommunisten und Sozialdemokraten zu Tode, und hier ahndete die sowjetische Besatzungsmacht Kriminelle – bzw.das was sie dafür hielt - im Bereicht der Wismut, also dem unter sowjetischer Kuratell stehendem Uranabbau im Erzgebirge. Und hier wurde auch das politische Strafrecht der DDR exekutiert. Doch bekannt wurde Kaßberg als Durchgangsgefängnis und letzte DDR-Station all jener Häftlinge, die via Freikauf durch die Bundesregierung ihre Freiheit in Westdeutschland erlangten. Diese singuläre Praxis, mit der die DDR-Regierung zwei Fliegen mit einer Klappe schlug, Druck aus dem Kessel nehmen und Devisen beschaffen, begann in den Jahren nach dem Mauerbau. Sie kostete den Westen etwas über 3 Mrd. DM, und schenkte ca. 30000 politischen Häftlingen die Freiheit. Davon kommen einige im Buch zu Wort, da ist es beeindruckend. Lesenswert ist auch ein Interview mit dem damals zuständigen Staatssekretär Ludwig Rehlinger. Manchmal liest es sich etwas dröge, und es enthält leider keinerlei kritische Reflexion zu dieser Freikaufspraxis. Doch sein Ziel, aus diesem Gefängnis eine Gedenkstätte zu machen, ist unbedingt zu unterstützen.